Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor

Titel: Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
Vom Netzwerk:
Erstaunen versetzte – eine in Schwarz gehüllte Frau, der Daoud vorsichtig aus der Kutsche half. Hand in Hand führte er sie zu mir. Sein breites, ehrliches Gesicht strahlte vor Stolz.
    »Ich habe sie hierhergebracht, Sitt«, verkündete er. »Sicher und unverletzt, wie du es mir gesagt hast.« Blonde Locken ringelten sich unter dem Schal hervor, der ihren Kopf bedeckte, ihr Gesicht jedoch unverschleiert ließ. »Evelyn?« hauchte ich.
    Es war nicht Evelyn. Es war meine Nichte, meine Namensschwester, meine kleine Amelia – mit blassem, hohlwangigem Gesicht, aber das Erstaunlichste von allem: Sie war hier! Erneut blickte ich zur Kutsche, in der sonst niemand mehr saß.
    »Wo sind deine Mutter und dein Vater?« wollte ich wissen. »Gütiger Himmel! Du bist doch nicht etwa allein gekommen, oder? Lia … Daoud …«
    Statt einer Antwort reichte mir meine Nichte ihre zitternde Hand. Immer noch unglaublich verwirrt, ergriff ich diese. Sie blickte mich aus übermüdeten blauen Augen an, und ein schwaches Lächeln umspielte ihre blassen Lippen. Sie öffnete den Mund. Doch bevor sie etwas sagen konnte, stürzte Nefret an mir vorbei und schloß sie in ihre Arme.
    »Sie ist erschöpft«, sagte Nefret. »Überlaß sie mir, Tante Amelia, ich werde mich um sie kümmern. David, hilfst du mir?« Die anderen waren zur Tür geeilt. Selbst Ramses schien über die Maßen verblüfft zu sein. Nefrets Bitte riß David aus seiner vorübergehenden Starre; er trat vor und hob die schwankende kleine Gestalt hoch. Wie ein Kätzchen schmiegte sie sich in seine Arme und verbarg ihren Kopf an seiner Brust. Dann folgte er Nefret und trug sie ins Haus.
    »Wenn es jemals einen Anlaß für einen Whiskey Soda gegeben hat«, meinte eine tiefe Stimme hinter mir, »dann jetzt. Setz dich, Peabody, bevor du mir hier noch zusammenbrichst.«
    Daoud schien zu vermuten, daß irgend etwas nicht in Ordnung war. Ein nachdenklicher Ausdruck glitt über sein Gesicht, dann dauerte es einige Sekunden, bis er die Tragweite seiner Handlung begriff. »Habe ich etwas Falsches gemacht, Sitt Hakim? Du hast mir doch gesagt, wenn einer kommen möchte …«
    »Du hast nichts falsch gemacht«, sagte Ramses mit einem Blick auf mich. »Mutter, besorg ihm eine Tasse Tee.
    Also, Daoud, mein Freund, nun setz dich erst einmal hin, und erzähl uns alles von Anfang an.«
    Mir war zu Ohren gekommen, daß Daoud der beste Geschichtenerzähler innerhalb seiner Familie war, konnte das aber kaum glauben, da er normalerweise ein eher einsilbiger Mann war. Jetzt, da er ein so aufmerksames Publikum vorfand, wie es sich ein guter Erzähler nur wünschen konnte, lief er zu Höchstform auf. Seine Stimme war tief und melodisch, seine Metaphern poetisch, die Bewegungen seiner Hände faszinierend. Tatsächlich waren seine Metaphern so poetisch, daß ich es für besser halte, die Geschichte in knappen Worten zusammenzufassen und einige Erklärungen beizusteuern, die dem naiven Mann einfach entfallen waren.
    Ich hätte niemals gedacht, daß dieses unerfahrene Mädchen zu einer solch kaltblütig kalkulierten Manipulation in der Lage gewesen wäre! Während ihre Eltern debattierten und argumentierten, hatte sie sich zu unverzüglichem Handeln entschlossen. Es gab einen sicheren Weg, ihre Eltern zur Weiterreise nach Luxor zu bewegen: wenn sie auf eigene Faust vorausreiste. Gott sei Dank hatte sie so viel Verstand besessen zu erkennen, daß sie diese Reise nicht allein wagen konnte, und ihr war auch bald schon klar, daß sie Selim niemals von einer Komplizenschaft überzeugen würde. Daoud – der arme Daoud –, der netteste und freundlichste, aber bei weitem nicht der intelligenteste Mann –, war leicht zu überreden. Und dann war da noch meine eigene gedankenlose Äußerung – ich hätte mich selbst in einen gewissen Körperteil treten können, als ich darüber nachdachte! »Wenn einer von ihnen zur Weiterreise entschlossen ist, dann muß er oder sie …« O ja, das hatte ich gesagt, oder zumindest etwas Ähnliches, und David hatte es für bare Münze genommen. Warum auch nicht? Er hatte mich und Nefret, ja, sogar Evelyn gesehen, wie wir unsere eigenen Entscheidungen, völlig unabhängig von den Männern, trafen. Für die ägyptischen Frauen war das zwar nicht statthaft, aber wir waren eine andere Rasse. Und welche Gefahr konnte ihr schon drohen, wenn er bei ihr war?
    Der Whiskey Soda half schon eine ganze Menge. Ich lehnte mich zurück und lauschte interessiert Daouds ausschweifendem Reisebericht.

Weitere Kostenlose Bücher