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Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor

Titel: Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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um sie, und sie verbarg ihr Gesicht an seiner Schulter. Dennoch sah er keine Möglichkeit, sie zu trösten, selbst wenn er eine angemessene Teilschuld auf sich nahm. Nur der Allmächtige allein konnte sich eine Vorstellung davon machen, wie sehr ihn der Anblick des jungen, verstümmelten Körpers und das Wissen, um wen es sich dabei handeln mußte, seitdem quälten.
    »Du weißt doch gar nicht mit Bestimmtheit, ob deine Aufforderung dafür verantwortlich war, Nefret. Vielleicht war es auch die Belohnung oder irgendeine persönliche Rache.«
    »Letzteres auf gar keinen Fall! Das Ganze ist viel zu übereinstimmend und zu … zu entsetzlich. Was sind das für Menschen?« Mit ihren Fingern rieb sie sich die Augen. Ramses wühlte in seinen Jackentaschen, was ihr schließlich ein melodisches Lachen entlockte.
    »Mach dir nichts draus, mein Junge, du hast nie ein Taschentuch. Wo ist meine Tasche?«
    Diese war ein albernes kleines Ding aus irgendeinem schimmernden Stoff und hing an einer Goldkordel an ihrem Handgelenk. Sie entzog sich ihm, und er senkte seinen Arm. Daran und an ihre sanfte Stimme würde er sich zumindest genau erinnern: »Du kannst mich nicht zum Narren halten, mein lieber Ramses. Du bist nicht so hartgesotten, wie du vorgibst. Komm, laß uns darüber reden, bevor du zu Bett gehst.«
    Als sie das Haus erreichten, war Sir Edward bereits eingetroffen und grinste selbstgefällig. Die anschließende Diskussion war charakteristisch für ihre Familiengespräche – laut und hitzig (das war in erster Linie sein Vater), aber gegen Ende erstaunlich produktiv. Zwei volle Tage Besichtigungstour und Zerstreuung mußten genügen, und wenn Lia nicht einverstanden war (und dessen war er sich recht sicher), dann hatte sie Pech gehabt.
    Ramses war klar, warum sein Vater sich die Zeit nehmen wollte. Er würde zwei Tage opfern, damit sie ihm nicht mehr im Weg standen, wenn er sich schließlich auf Mörderjagd begab. Der Tod des Mädchens hatte das Maß voll gemacht. Ramses kannte diesen Gesichtsausdruck seines Vaters, und er wußte, was er zu bedeuten hatte.
    Nachdem sie sich einig geworden waren, hatte seine Mutter alle ins Bett geschickt. Ramses, der den Papyrus zurück in das Behältnis legte, verließ als letzter den Raum; das hatte er zumindest angenommen, bis er seinen Vater im Türrahmen stehen sah.
    »Ja, Sir?« fragte er und überlegte, ob er jemals alt genug sein würde, um diese Anredeform abzulegen.
    »Ich dachte, du könntest dabei vielleicht Hilfe brauchen«, sagte sein Vater. »Wie geht es deiner Hand?«
    »Das ist kaum der Rede wert, Vater. Wenn Nefret es zuließe, könnte ich die verfluchte Bandage jederzeit abnehmen.«
    »Sie paßt gut auf euch Jungen auf. Und ihr auch auf sie.«
    »Wir versuchen es. Das ist verflucht schwierig. Du weißt ja, wie sie ist.«
    »Im Hinblick auf eigenwillige Frauen verfüge ich über jahrelange Erfahrung«, erwiderte sein Vater mit einem schwachen Grinsen.
    »Aber wir würden sie nicht so sehr … äh … schätzen, wenn sie anders wären, oder?«
    »Lieben«, hatte er eigentlich sagen wollen. Warum gelang ihm das nicht? Ramses überlegte. Vermutlich sagte er das nur zu seiner Frau.
    »Nein«, bekräftigte er.
    »Äh … heute abend hast du ihr eine überaus grauenvolle Situation erspart. Für dich war es ebenfalls … äh … grauenvoll. Und für David. Das habt ihr beiden gut gemacht.«
    »Danke, Sir.«
    »Gute Nacht, mein Junge.«
    »Gute Nacht, Vater.«
    David hatte es schlichtweg abgelehnt, vor dem schmutzigen kleinen Raum zu warten, in dem der Leichnam des Mädchens aufgebahrt lag. Er hatte neben Ramses gestanden, als die zerschlissene Decke weggezogen wurde, und er hatte, ständig gegen seine Übelkeit ankämpfend, gewartet, bis Ramses fertig war.
    Doch als Ramses später zu Nefrets Zimmertür huschte, hörte er Davids leise, erregte Stimme, und er kehrte um, ohne zu klopfen. In dieser Nacht tötete er David erneut, grub seine Finger in die Kehle seines Freundes und schmetterte dessen Kopf auf den Steinboden. Mit einem unterdrückten Aufschrei erwachte er, bedeckte sein Gesicht mit seinen Mörderhänden und konnte bis zum Morgengrauen keinen Schlaf mehr finden.
    Das Frühstück war trotz meiner aufgesetzten Fröhlichkeit keine sonderlich angenehme Zusammenkunft. Fortwährend warf Walter seiner Tochter vorwurfsvolle Blicke zu. Ramses wirkte wie ein Geist und David wie ein Mann, dessen Gewissen nicht frei von Schuld war – auch wenn ich keine Ahnung hatte, worum es sich

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