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Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor

Titel: Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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dort zu sehen. Sein Blick wanderte zu mir zurück. Seine Lippen bewegten sich, und ich senkte den Kopf, um seinen geflüsterten Worten zu lauschen. Ich dachte schon, er sei von uns gegangen, doch dann äußerte er noch diese letzten Worte. »Emerson, gib auf sie acht. Sie ist nicht …«
    »Das werde ich.« Emerson nahm seine Hand. »Das werde ich, alter Freund. Gehe in Frieden.«
    Er schloß Abdullahs Augenlider und faltete seine Hände auf der Brust. Dann überließ ich ihn Daoud, Selim und David. Sie hatten ein Recht darauf, ihm das letzte Geleit zu gewähren. Alle weinten. Nefret schluchzte an Ramses’
    Schulter, und Emerson wandte sich ab und bedeckte sein Gesicht mit seinen Händen. Ramses’ ernste dunkle Augen blickten mich über Nefrets gesenkten Kopf hin an. Er hatte keine Träne vergossen – ebensowenig wie ich. Bertha war der Vielzahl ihrer Wunden erlegen, darunter mehreren Messerstichen. Im nachhinein wäre es schwierig gewesen festzustellen, wer ihr den Todesstoß versetzt hatte.
    Ich habe keine klare Vorstellung davon, was unmittelbar im Anschluß geschah. Wir kehrten nach Hause zurück, um uns auf die Beerdigung vorzubereiten, die noch am selben Abend stattfinden sollte. Meine Kleidung war blutdurchtränkt, dennoch lehnte ich Nefrets Hilfe ab. Nachdem ich gebadet und mich umgezogen hatte, ging ich in mein Zimmer. Die anderen hatten sich im Salon versammelt. Häufig ist Gesellschaft der beste Trost bei Trauerfällen, aber ich wollte niemanden sehen, nicht einmal Emerson.
    Meine Augen waren immer noch trocken. Ich wollte weinen; meine Kehle war wie zugeschnürt, und ich konnte kaum schlucken, doch die Tränen schienen von einer unsichtbaren Kraft zurückgehalten zu werden. Mit im Schoß gefalteten Händen saß ich auf der Bettkante und blickte auf die blutverschmierten Kleidungsstücke in meinem Sessel.
    Als wir uns das erstemal begegneten, hatte er keine besonders hohe Meinung von mir oder allgemein von den Frauen gehabt. Die Veränderung ging so langsam vonstatten, daß ich mich kaum an den exakten Augenblick entsinnen konnte, als Mißtrauen in Zuneigung und Verachtung in Freundschaft umgeschlagen war und sich verfestigt hatte. Ich erinnerte mich an den Tag, als er mich zu dem gräßlichen Loch geführt hatte, in dem Emerson gefangengehalten wurde. Als ich zusammenbrach, hatte er mich seine »Tochter« genannt und mir übers Haar gestrichen; dann war er weggegangen, um seine Männer zusammenzutrommeln und gemeinsam mit ihnen den Mann gewaltsam zu befreien, den er wie einen Bruder liebte. Es war nicht das erstemal, daß er sein Leben für einen von uns beiden riskiert hatte.
    Ich dachte an meinen abweisenden, unnahbaren Vater. Ich dachte an meine Brüder, die mich nicht beachteten und beleidigten, bis ich Papas Geld erbte – das einzige, was er mir jemals gegeben hatte. Ich dachte an Daouds herzliche Umarmung und an Kadijas aufopfernde Betreuung und an Abdullahs letzte Worte, und ich wußte, daß sie meine wirkliche Familie waren – und nicht diese gefühllosen Fremden, die mit mir lediglich den Namen und die Blutsverwandtschaft gemein hatten. Und doch kamen die Tränen nicht.
    Er hatte es so genossen, sich mit mir gegen Emerson zu verbünden – und mit Emerson gegen mich. Ich dachte an sein selbstgefälliges Grinsen, als er sagte: »Ihr seid alle zu mir gekommen. Ihr habt immer gesagt, verrat es nicht den anderen.«; sein theatralisches Murren: »Wieder eine Leiche. Jedes Jahr eine neue Leiche!« Die Art, wie er mir zublinzelte …
    Die kleinen und nicht die großen Dinge sind am schmerzvollsten. Der Damm brach, ich warf mich auf das Bett und schluchzte in die Kissen. Ich hörte nicht, daß die Tür geöffnet wurde. Ich bemerkte erst, daß jemand im Raum war, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Es war nicht Emerson. Es war Nefret mit tränenfeuchtem Gesicht und bebenden Lippen. Eng umschlungen beweinten wir ihn gemeinsam. Emersons Umarmung hatte mich schon bei vielen Anlässen getröstet, doch jetzt brauchte ich das hier – eine andere Frau, die sich ihrer Tränen nicht schämte und genauso trauerte wie ich.
    Sie hielt mich umschlungen, bis mein Schluchzen zu einem Schniefen abgeebbt war und ich mein Taschentuch und auch das ihre völlig durchnäßt hatte. Mit dem Handrücken wischte ich die letzten Tränen von meiner Wange.
    »Ich bin froh, daß du es warst«, sagte ich. »Emerson hat nie ein Taschentuch bei sich.«
    »Bist du wirklich froh?« Sie wußte, daß mein kleiner Scherz

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