Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor
Rückkehr verschwunden war.
In der Tat muß ich – getarnt als Stoffballen – in diesem Gefährt entfernt worden sein. Nach einer Weile verschärften Nachforschens hatte Emerson schließlich einen Zeugen gefunden, der eine solche Kutsche am Kai bemerkt hatte. Er war zur Schule zurückgeeilt, um Ramses und David zu holen, die das Gebäude durchsuchten. Sayyida Amin hatte sich nicht nur einverstanden mit dieser Durchsuchung erklärt, sie hatte sogar darauf bestanden.
»Ich war ein verdammter Idiot, daß ich sie nicht erkannte«, erklärte Emerson. »Sie war natürlich verschleiert, und sie hatte ihr Gesicht und ihre Hände dunkel geschminkt, und –«
»Und du hast geglaubt, daß sie tot sei. Das kann ich dir kaum verübeln, Emerson. Deine Hartnäckigkeit hat sie daran gehindert, mir durch den Fluß zu folgen.«
»Wir haben es ja selbst kaum geschafft. Der Wind blies wie ein Orkan, und starke Regenfälle hatten eingesetzt. Wir kehrten zum Haus zurück und kümmerten uns um die Pferde – die armen Tiere hatten stundenlang draußen gestanden –, zogen uns um und versuchten zu überlegen, was wir als nächstes tun sollten. Da ich davon ausging, daß dich Sethos entführt hatte, hatte ich keine Vorstellung, wo ich mit meiner Suche beginnen sollte. Aber ich hätte dich gefunden, mein Schatz, und wenn ich jedes Haus am Westufer dem Erdboden gleichgemacht hätte!«
Ich drückte ihm meine Dankbarkeit aus. »Ganz sicherlich aber«, fragte ich, »bist du nicht von der irrigen Annahme ausgegangen, daß Sir Edward Sethos war?«
»Diesem Bastard würde ich alles zutrauen«, sagte Emerson düster. »Und ich habe Sir Edward nie völlig vertraut. Er war einfach zu verflucht edelmütig, als daß es hätte echt sein können. Hast du nicht selbst einmal behauptet, daß jeder Mensch Hintergedanken hat?«
»Ich war davon ausgegangen, daß dieser Hintergedanke mit Nefret zu tun hatte«, gestand ich. »Anscheinend habe ich mich geirrt. Ich … ich habe mich während der vergangenen Wochen wohl in einer ganzen Reihe von Dingen geirrt, Emerson.«
»Gütiger Himmel!« Emerson legte seine riesige braune Pranke auf meine Stirn. »Peabody, hast du Fieber?«
»Vermutlich wieder einer deiner kleinen Scherze. Die Zeit rast uns davon, Emerson, und wir müssen irgend etwas unternehmen. Interessiert es dich, von Sethos zu erfahren?«
»Nein. Vermutlich wirst du mir trotzdem von ihm erzählen.«
Meine Schilderung dauerte länger als nötig, da Emerson sie ständig mit gemurmelten Flüchen und Zornesausbrüchen unterbrach. Als ich geendet hatte, gönnte er sich ein abschließendes: »Zur Hölle mit diesem Schweinehund!«, bevor er wieder zur Vernunft kam. »Was glaubst du, wie er verkleidet ist … äh … war?«
»Als Tourist, nehme ich an. In Luxor gibt es Hunderte davon. Seine Maskerade gestern abend war einer seiner kleinen Scherze, denke ich. Bis auf den Schnurrbart war er das Ebenbild von Sir Edward.«
Emerson ging zum Fenster und öffnete die Läden. »Der Regen hat aufgehört. Als Daoud mir berichtete, daß du hier bist, bin ich gestern nacht direkt gekommen, aber die anderen treffen sicher auch bald ein. Wir müssen dringend einen Kriegsrat einberufen.«
»Es wäre töricht, wenn sie herkämen. Warum kehren wir nicht zum Haus zurück?«
»Ich bezweifle, daß die Kinder noch länger warten wollen. Sie haben sich große Sorgen um dich gemacht, meine Liebe. Ich gestehe, daß eine solche Einschätzung bei Ramses schwierig ist, aber er blinzelte recht häufig. Nefret war außer sich; sie sagte immer wieder, daß sie sich dir gegenüber rücksichtslos und ungerecht verhalten habe und daß sie dich zur Schule hätte begleiten sollen.«
»Unsinn«, erwiderte ich – dennoch gebe ich zu, daß ich gerührt war.
»Wie auch immer«, sagte Emerson und trat erneut zu mir, »Kadija hat mir berichtet, daß dieses aufreizende Kleid, das du gestern trugst, ruiniert ist. Du kannst nicht in eine Decke gehüllt losreiten. Ich könnte dich vermutlich über meinen Sattel legen wie die Scheichs ihre Neuakquisitionen für den Harem, aber das fändest du mit Sicherheit nicht angenehm.«
Er grinste auf mich herab. Seine blauen Augen funkelten wie lupenreine Saphire, und sein schwarzes Haar fiel verwegen über eine Braue. »Ich liebe dich über alles, Emerson«, sagte ich.
»Hmmm«, sagte Emerson. »Ich denke, sie werden noch eine Weile fortbleiben …«
Was mich anbelangte, trafen sie viel zu rasch ein. Emerson blieb kaum Zeit, die Decke zu
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