Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken
schildern Sie uns, was passiert ist.«
Wie Cyrus später einräumte, hatte er mit »den üblichen Problemen, in die Leute wie ihr immer wieder hineinschlittern« gerechnet. Er lauschte höflich interessiert und äußerte sich gelegentlich überrascht, doch als ich meine Schilderung beendet hatte, fragte er: »Keine Toten, Verletzten oder Entführten? Endlich einmal eine angenehme Überraschung! Es erleichtert mich, daß es nichts Ernstes ist.«
Aufgrund ihrer weiblichen Intuition begriff Katherine die Sachlage bedeutend rascher. »Es tut mir so leid, liebste Amelia. Auch für Ramses. Der Gedanke, Ihnen das ersparen zu wollen, hat alles nur verschlimmert, dennoch hielt er seine Handlungsweise für die einzig richtige.«
»Mir das ersparen? Katherine, auch nicht eine Sekunde lang zweifle ich an der Wahrheit seiner Worte. Zu etwas Derartigem ist er nicht fähig, und selbst wenn er das getan hätte, würde er die Verantwortung wie ein Mann tragen! Edelmütig und großzügig hat er sich der unschuldigen Kleinen angenommen! Und jetzt«, fügte ich erbittert hinzu, während Katherine tröstend auf mich einredete und Cyrus meine Schulter tätschelte, »jetzt muß er auch noch darunter leiden. Wenn selbst Sie ihn verdächtigen –«
»Um Gottes willen, nein, liebste Amelia! Sie haben mich mißverstanden. Ramses würde das ebensowenig fertigbringen wie … wie Cyrus. Sie denken, daß Ihr Neffe der Vater des Kindes ist?«
»Er muß der Vater sein. Warten Sie, bis Sie sie sehen, Katherine. Die Ähnlichkeit ist verblüffend.«
Katherine hatte mir Kaffee eingegossen. Ich nahm einen Schluck. »Hervorragender Kaffee«, lobte ich. »Ich bin auf dem Weg nach Kairo, Katherine, um Einkäufe für das Kind zu erledigen. Ich dachte, daß Sie vielleicht Lust hätten, mich zu begleiten. Cyrus, Emerson ist mit Ramses nach Zawiet aufgebrochen. Er ist zu der Einsicht gelangt, daß Ihre Annahme korrekt ist, und hat beschlossen, das Ausgrabungsgebiet bis auf das nackte Felsgestein abzutragen.«
»Wenn das nicht der gute, alte Emerson ist«, rief Cyrus. »Man sollte ihn warnen, daß ihm die Schlange im Gebüsch auflauert und er geradewegs in die Gefahr hineinrennt. Schätze, ich werde ihn aufsuchen und mich mit einer Flinte auf einen Felsbrocken setzen. Cat, mein Schatz, du begleitest Amelia?«
»Mit dem größten Vergnügen. Das wird sicherlich lustig, noch einmal Sachen für ein Kind einzukaufen. Wie alt ist sie, Amelia?«
»Die Einzelheiten schildere ich Ihnen während der Fahrt«, erwiderte ich und leerte meine Kaffeetasse. »Ich denke, wir werden in Kairo zu Mittag essen; es ist bereits später, als ich annahm. Eßt ihr beiden heute abend bei uns? Wir haben vieles zu besprechen.«
»Mit Sicherheit«, murmelte Cyrus. »Ich hole nur eben meine Jacke, und dann mache ich mich auf den Weg.« »Und ich werde Hut und Handtasche holen«, meinte Katherine. Ihre schönen grünen Augen musterten mich durchdringend. »Amelia –«
»Später, Katherine. Wir beide haben uns ebenfalls viel zu erzählen.«
Auf ihre Art sind Männer akzeptable Gesprächspartner und vermutlich auch pragmatischer als manch eine Frau;
trotzdem sind sie nicht in der Lage, gewisse Dinge zu verstehen. Die lange Fahrt nach Kairo bot mir die Gelegenheit, offen mit einer Frau zu sprechen, deren intelligenten Rat ich über die Maßen schätzte. Ich war mir gar nicht bewußt gewesen, wie verzweifelt ich mich danach sehnte, mich einer Freundin anzuvertrauen. Bei unserem Eintreffen auf der Muski war ich heiser vom vielen Reden.
»Verzeihen Sie mir, Katherine«, bemerkte ich etwas bestürzt. »Ich wollte Sie mit meinen Ausführungen keineswegs langweilen.«
»Sie hätten mir keinen größeren Gefallen tun können, Amelia. Sie sind meine liebste Freundin; Ihnen verdanke ich mein ganzes Glück. Ich wünschte nur, ich könnte Sie tatkräftiger unterstützen. Es ist unerträglich, die eigenen Kinder in Schwierigkeiten zu wissen und ihnen nicht helfen zu können.«
»Es sind keine Kinder, sondern junge Männer und Frauen, und sie müssen die Lösung ihrer Probleme selbst in die Hand nehmen. Ramses’ unselige Verschwiegenheit ist mir verhaßt; er war immer schon so, und daran wird sich vermutlich auch nichts ändern; aber unter uns gesagt, Katherine, ich bin trotzdem sehr stolz auf ihn. Im Augenblick bin ich wegen Nefret aufgebracht. Das Leben wäre wirklich sehr viel einfacher, wenn ich nur mit Dieben und Mördern zu tun hätte.«
Die Männer mögen zwar verächtlich grinsen,
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