Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken
Mann irgendwo in Kairo aufhält. Zweitens ist er zu dem Schluß gelangt, daß wir – beziehungsweise Mutter – eine Gefahr für ihn darstellen. Drittens ist seine Unternehmung komplexer als von uns angenommen, und es steht mehr auf dem Spiel als nur der schnöde Profit. Von früher her kennen wir einige Fälscher und auch eine ganze Reihe von Hehlern, die gestohlene Antiquitäten feilbieten. Wie viele von ihnen würden einen Mord begehen, um unentdeckt zu bleiben?«
»Einige«, erwiderte Emerson mit Grabesstimme. »Insbesondere … Mach den Mund zu, Peabody, und hör auf zu fluchen. Ich habe dir bereits erklärt, daß ich Sethos diesmal nicht verdächtige. Ich dachte an diesen Schurken Riccetti.«
»Seit der Nilpferd-Geschichte sitzt er hinter Gittern«, betonte ich. »Ich glaube, wir hätten es erfahren, wenn er wieder auf freiem Fuß wäre.«
»Damals war der Preis ein unversehrtes Königsgrab mit komplettem Inhalt«, warf Ramses ein. »Eine solche Beute führt zu übertriebener Aktivität von Seiten der Ganoven.«
Nefrets Augen funkelten. »Du nimmst doch nicht etwa an …«
»Wir dürfen nicht damit rechnen, daß uns ein solcher Glückstreffer zweimal im Leben widerfährt.« Emerson seufzte. »Ich befürchte, daß es sich hier lediglich um einen gewöhnlichen Fall von Betrug handelt.«
»Der Begriff ›gewöhnlich‹ trifft nicht ganz zu, Vater«, erwiderte Ramses.
»Nein«, stimmte ihm Emerson zu. »Die Fälschungen haben nichts mit den gewöhnlichen Imitationen gemein. Für die Käufer kann ich kaum Mitgefühl aufbringen; geschieht ihnen ganz recht, wenn sie betrogen werden. Sie haben ohnehin nicht das Recht, irgendwelche Kunstschätze zu erwerben. Ich ließe den Burschen sogar ungeschoren davonkommen, wenn es nicht darum ginge, David jeglichen Verdachts zu entheben.«
Ramses beugte sich mit gefalteten Händen vor und erklärte ungewohnt hitzig: »Dann wird es wirklich Zeit, daß wir Davids Gefühle und Empfindungen nicht länger schonen. Selbst wenn wir uns diesen Luxus leisten könnten, was meiner Ansicht nach unmöglich ist, wäre es verflucht töricht.«
»Hör auf–«, hub ich an.
»Zu fluchen«, stieß Ramses zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Verzeih mir, Mutter. Begreifst du denn nicht, daß David früher oder später ohnehin davon erfährt? Das Gerücht wird sich wie gewohnt verbreiten. Die Sammler kommunizieren miteinander, Händler treten an geschätzte Kunden heran. Wer weiß, wie viele vergleichbare Fälschungen noch in zahllosen anderen Geschäften angeboten werden; wir konnten lediglich einen geringen Prozentsatz sicherstellen. Es erstaunt mich ohnehin, daß der eine oder andere unserer Bekannten nicht schon vorher Abdullahs ›Sammlung‹ erwähnte. Ihr könnt mir glauben, daß David alles andere als begeistert wäre, wenn wir ihn nicht informierten. Das ist eine verfluchte – verzeih mir, Mutter – Anmaßung.«
Die darauf folgende Gesprächspause kam einer stillschweigenden Übereinkunft gleich. Ganz offensichtlich war er nicht der einzige gewesen, der zu dieser frustrierenden Schlußfolgerung gelangt war. Natürlich hatte auch ich darüber nachgedacht.
»Du korrespondierst doch mit David, oder?« fragte ich.
»Hin und wieder. Beileibe nicht so häufig wie Nefret und Lia.«
»Männer sind entsetzliche Briefpartner«, schnaubte Nefret. »Ich habe gegenüber Lia noch nichts angedeutet. Du schlägst doch nicht etwa vor, daß wir David die Nachricht in einem Brief übermitteln, oder, Tante Amelia? Der Gedanke gefällt mir ganz und gar nicht.«
»Das war nicht als Vorschlag gemeint. Ich fragte mich lediglich, ob David irgend etwas geschrieben hat, was darauf hinweisen könnte, daß er Wind von der Sache bekommen hat.«
»Ich glaube nicht, daß ich etwas Diesbezügliches von ihm gehört habe«, erwiderte Ramses. »Und du, Nefret?«
»Lia hätte es mir mit Sicherheit geschrieben«, erklärte Nefret im Brustton der Überzeugung.
»Also, was schlagt ihr als weitere Vorgehensweise vor?« wollte Emerson wissen. »Verflucht, Ramses, deine Behauptung, daß wir unsere Strategie ändern müssen, ist ja gut und schön, aber solange man keine sinnvolle Idee parat hat –«
»Ich schlage vor, wir schleichen nicht länger um den heißen Brei herum«, erwiderte Ramses. »Wir müssen Daoud und Selim ins Vertrauen ziehen. Wenn wir diese Angelegenheit bis zur Ankunft von David und Lia nicht geregelt haben, müssen wir ihm reinen Wein einschenken. Vielleicht sollten wir Mr.
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