Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken
auf. »Ah! Eine gute Idee. Wenn sie eintreffen, werden wir ein Freudenfest veranstalten, mit Geschenken, Musik und Unmengen zu essen.«
»Ganz bestimmt.« Zärtlich drückte sie seinen Arm. »Ich werde hier auf dich warten.«
Nachdem seine hünenhafte Gestalt im Schuhgeschäft verschwunden war, griff Nefret in ihre Handtasche und nahm einige Geldstücke heraus. Mit den Münzen klimpernd, ging sie zu dem Fakir, der wie ein formloses Bündel in sich zusammengesunken war, das strähnige Haar verdeckte sein Gesicht.
»Wenn das die Aura der Heiligkeit ist, ziehe ich die Verdammnis vor«, meinte sie leise. »Warum sind deine Verkleidungen nur immer so abgeschmackt?«
»Dreck hält kritische Zeitgenossen auf Distanz«, lautete die kaum hörbare Antwort. »Offensichtlich gehörst du nicht dazu. Ruhi min hina, ya bint Shaitan. (Verschwinde, Tochter des Satans.)«
Er wagte nicht aufzublicken, doch er vernahm ihr leises Kichern und ihre etwas lautere Reaktion. »Wie unhöflich!« Sie warf ihm die Münzen zu Füßen und trollte sich.
Ramses spähte durch seine verfilzte Haarpracht und bemerkte Daoud, der gerade das Geschäft verließ. Keiner der beiden blickte in seine Richtung, trotzdem wartete er, bis sie einen gewissen Vorsprung hatten. Dann rappelte er sich auf und folgte ihnen.
»Hmhm«, meinte ich, nachdem Nefret mit ihrer Schilderung von Ramses’ Verkleidung geendet hatte. »Wirklich sehr pittoresk. Warum bist du Daoud und Nefret gefolgt? Er ist stark und vertrauenswürdig genug, um sie zu beschützen.«
Mein Sohn lümmelte sich auf dem Diwan, stemmte die Füße auf den Rand des Springbrunnens und antwortete: »Er würde mit Freuden sein Leben für sie riskieren. Falls dieser bedauerliche Fall jedoch einträte, käme für Nefret vermutlich jede Hilfe zu spät. Nach dem, was dir heute morgen passiert ist, können wir nicht vorsichtig genug sein.«
»Ich brauche keinen Beschützer«, erklärte Nefret erwartungsgemäß. »Ich hatte mein Messer.«
Zum ersten Mal genossen wir die Annehmlichkeiten des Innenhofs unseres neuen Domizils. Das Bewußtsein, meine Sache gut gemacht zu haben, erfüllte mich mit äußerster Zufriedenheit. Schaukelstühle und bequeme Sessel, kleine Tische und Sitzkissen standen rund um den Springbrunnen, dessen Fontäne melodisch plätscherte. Die von Geoffrey mitgebrachten Pflanzen gaben dem Ganzen den letzten Schliff; geschmackvoll ausgewählt und liebevoll eingepflanzt, hatten sie einen kahlen Innenhof in einen Garten verwandelt. Die Töpfe mit Orangen- und Zitronenbäumen, Hibiskus und Rosen waren landestypisch; ihre schlichten Formen und der gebrannte Ton paßten sich harmonisch dem Ambiente an und erinnerten an ihre frühgeschichtlichen Vorläufer. Gewisse Töpfertechniken haben sich seit Tausenden von Jahren nicht verändert.
»Mein heutiges Abenteuer hat einen positiven Aspekt«, bemerkte ich. »Falls jemand von euch noch Zweifel an Davids Unschuld hatte, sind diese damit sicherlich ausgeräumt.«
»Du gehst davon aus, daß der auf dich ausgeübte Anschlag mit der anderen Geschichte zu tun hat«, sagte Emerson. Der Lichtschein der auf einem der Tische stehenden Lampen fiel auf seine nachdenklichen Züge. »Es steht sicherlich außer Frage, daß sie nicht miteinander in Verbindung stehen«, warf Ramses ein.
»Nicht unbedingt. Deine Mutter gerät ständig in unangenehme Situationen. Sie sucht förmlich danach. Sie zieht sie an. Und sie lebt darin auf.«
»Was für ein Unfug!« entfuhr es mir.
»Wie dem auch sei«, erwiderte Ramses, während Nefret hinter vorgehaltener Hand kicherte, »es gibt lediglich zwei Möglichkeiten. Entweder hat Mutters unliebsamer – äh – Zwischenfall keinen Bezug zu unseren Nachforschungen oder doch. Letzteres erscheint mir wahrscheinlicher. Mutter hat eigentlich nicht so viele alte Feinde, die ihr auflauern. Zumindest … Oder vielleicht doch, Mutter?«
»Hmmm«, meinte ich. »Laß mich nachdenken. Nein, eigentlich nicht. Alberto starb vor einigen Jahren, recht geläutert, wie mir sein Zellenmitbewohner mitteilte, und es erscheint mir unwahrscheinlich, daß Matilda –« »Geh nicht gleich die ganze Liste durch, das würde zu lange dauern«, wandte Emerson ein. »Wir werden die zweite Alternative als Arbeitstheorie aufgreifen. Hast du uns noch etwas zu sagen, Ramses?«
Eine törichte Frage. Ramses hat stets das letzte Wort. »Ja, Vater. Von dieser Alternative können wir gewisse andere Möglichkeiten ableiten. Erstens, daß sich der von uns gesuchte
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