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Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra

Titel: Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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erfüllte die windstille Luft.
    Vermutlich unterhielten sie sich schon eine Zeit lang, denn die erste Äußerung, die ich verstand, stammte von Nefret und war offensichtlich eine Reaktion auf das von ihm Gesagte.
    »Sei nicht so verdammt höflich!«
    »Wäre es dir lieber, wenn ich dich mit unflätigen Ausdrücken bombardierte? Oder dich zusammenschlagen würde? Das soll in gewissen Kreisen ein Beweis für Zuneigung sein.«
    »Ja! Alles … nur … nur nicht –«
    »Sei leise«, zischte Ramses.
    Ich schlich vorsichtig über den Kiesweg, bis ich eine Stelle erreichte, von wo aus ich sie sah. Sie standen sich gegenüber; von Ramses nahm ich nur das weiße Oberhemd wahr. Sie hatte mir den Rücken zugewandt; ihr Gewand hatte denselben Perlmuttschimmer wie die Rosen, die sie umrahmten, und der Schmuck an ihrem Handgelenk funkelte, als sie ihre behandschuhten Finger auf seine Schulter legte. Ihre Berührung war nur sanft, doch er schrak zurück, und Nefrets Hand glitt zur Seite.
    »Es tut mir Leid.«
    »Was tut dir Leid?«
    »Wir waren doch Freunde. Bevor –«
    »Und sind es noch, so hoffe ich. Also wirklich, Nefret, musst du mir eine Szene machen? Ich finde das überaus nervtötend.«
    Ich verstand nicht, was sie erwiderte, aber letztlich brach sie damit das Eis. Er fasste ihren Arm. Sie entzog sich ihm geschickt und funkelte ihn an, ihre Brust hob und senkte sich rasch.
    »Du hast mir das beigebracht«, sagte sie.
    »Stimmt. Hier ist etwas, was ich dir noch nicht gezeigt habe.«
    Er bewegte sich so flink, dass ich lediglich das Resultat bemerkte. Ein Arm hielt sie an seine Seite gepresst und ihr Körper lehnte sich gegen seine unerbittliche Umklammerung auf. Er legte seine Hand unter ihr Kinn, bog ihren Kopf zurück und senkte seine Lippen auf die ihren.
    Der Kuss währte relativ lange. Als er schließlich den Kopf hob, waren beide völlig außer Atem. Natürlich fasste Ramses sich als Erster. Er ließ sie los und trat zurück.
    »Diesmal muss ich mich entschuldigen, glaube ich, aber du solltest wirklich niemandem trauen, dass er sich wie ein Gentleman verhält, wenn du allein mit ihm im Mondenschein bist. Zweifellos hat Percy bessere Manieren.«
    Nefrets Hand wanderte zu ihrer Kehle. Sie wollte etwas erwidern, doch er schnitt ihr das Wort ab.
    »Allerdings ist er alles andere als ein Gentleman, wenn er nachts im Gebüsch herumspioniert, während eine Dame gegen ihren Willen geküsst wird. Vielleicht ist er etwas schwer von Begriff. Sollen wir ihm noch eine Chance geben?«
    Ich konnte es ihr kaum verübeln, dass sie ihn schlagen wollte. Es war kein sanfter, damenhafter Klaps, sondern ein harter Schwinger mit ihrer geballten Faust (von ihm übernommen, vermute ich), der ihn umgehauen hätte, falls sie getroffen hätte. Hatte sie nicht. Als seine Hand hochschoss, um den Schlag abzuwehren, fasste sie sich wieder; für einen langen Augenblick verharrten sie wie Statuen, ihre gekrümmten Finger ruhten in seiner Handfläche. Dann drehte sie sich um und lief davon.
    Ramses setzte sich auf die Bank und schlug die Hände vor sein Gesicht.
    Hätte ich einen solchen Zwischenfall bei zufälligen Bekannten miterlebt, hätte ich mich selbstverständlich diskret zurückgezogen, ohne mich zu erkennen zu geben. Unter diesen Umständen zögerte ich nicht einzugreifen. Um ehrlich zu sein, war ich selbst nicht in der Lage, klar zu denken. Wie hatte mir das verborgen bleiben können – mir, die sich damit brüstete, eine Spezialistin in Herzensangelegenheiten zu sein?
    Vermutlich hatte er das Rascheln meiner Röcke wahrgenommen, denn er fand rasch zu seiner Selbstbeherrschung zurück. Als ich aus den Büschen auftauchte, erhob er sich und warf die halb gerauchte Zigarette weg.
    »Rauche ruhig weiter, wenn es dich beruhigt«, sagte ich und setzte mich.
    »Du auch?«, entfuhr es Ramses. »Ich hätte es wissen müssen. Vielleicht wirst du mich in zehn oder zwanzig Jahren endlich für so erwachsen halten, dass ich mich frei und ohne Anstandsdame bewegen darf.«
    »Oh, mein Schatz, wirf mir nichts vor«, sagte ich mit unsicherer Stimme; der frostige, ironische Tonfall setzte mir mehr zu als jemals zuvor. »Es tut mir so Leid, Ramses. Wie lange bist du …«
    »Seit dem Augenblick, als ich sie das erste Mal sah. Die Treue«, fuhr Ramses mit derselben unterkühlten Stimme fort, »scheint ein fataler Schwachpunkt in unserer Familie zu sein.«
    »Ach komm«, versetzte ich, nahm die mir angebotene Zigarette und ließ sie mir von ihm anzünden.

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