Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra
sicher, dass ich es aus ihr herausbekommen würde, sofern sie irgendetwas von Percys Zuwiderhandlungen wusste.
Er hatte sie nie in sein kleines Liebesnest mitgenommen, denn er zog verheiratete Frauen vor. Er nahm an, dass sie nicht darüber reden würden, aus Angst vor einer Rufschädigung, aber natürlich plauderten sie – streng vertraulich mit ihren besten Freundinnen. Sylvia gab sich schockiert, konnte diesen gewissermaßen saftigen Skandal aber dennoch nicht für sich behalten.
Daraufhin konfrontierte ich Percy mit der Information. Zunächst stritt er das Ganze ab. Das hatte ich erwartet und war darauf vorbereitet; schließlich überredete ich ihn, indem ich Verständnis für Männer heuchelte, die gewisse Bedürfnisse und … Ramses, beiß dir nicht ständig auf die Lippe, sie blutet schon wieder!«
»Vielleicht solltest du deine Schilderung besser – äh – etwas abkürzen, Nefret«, schlug ich vor. »Ich vermag nachzuvollziehen, wie du ihn davon überzeugt hast, dich dorthin mitzunehmen. Das war an dem Nachmittag, als du verspätet zum Abendessen heimgekehrt bist? Mir war sofort klar, dass du eine – äh – unangenehme Erfahrung gemacht haben musstest.«
»Ich wurde rot wie ein dummes Schulmädchen«, murmelte Nefret. »Ich fühlte, wie mein Gesicht brannte. Es gab unangenehme Momente, aber ich habe nicht zugelassen, dass er –«
»Schon gut«, sagte Ramses leise. »Es tut mir Leid.«
Verschämt senkte sie ihren goldblonden Schopf und küsste die von ihr umklammerte Hand. »Ich war nie wirklich in Gefahr. Ich weiß mich zu verteidigen und ich hatte mein Messer. Trotzdem war es ein verschwendeter Nachmittag. Er ließ mich keine Sekunde lang allein. Ich habe nicht einmal den Rest des Hauses zu Gesicht bekommen, lediglich das Schlafzimmer.«
»Nefret«, warf ich rasch ein, »es ist alles gesagt. Dein Opfer – denn das war es, mein Schatz, was auch immer geschah oder nicht geschah – war nicht vergebens. Ich bezweifle, dass der arme David uns nähere Hinweise hätte geben können, er war nicht in der Verfassung für ein längeres Gespräch. Ja, Ramses hat es treffend bemerkt: Unsere Familie arbeitet hervorragend zusammen. Vielleicht haben wir alle auf Grund dieser Erfahrung eine wertvolle Lektion gelernt.«
Emersons Gesicht drückte seinen Zweifel aus. Bevor er die Gunst der Stunde nutzen und diesen Zweifel in Worte kleiden konnte, fuhr ich fort: »Ramses sollte jetzt ausruhen. Gute Nacht, mein lieber Junge. Falls ich zuvor versäumt habe, es zu erwähnen: Ich liebe dich und bin sehr stolz auf dich.« Ich beugte mich über ihn, fand eine unverletzte Stelle in seinem Gesicht und küsste ihn.
»Ganz recht«, bekräftigte Emerson.
»Danke«, murmelte Ramses mit weit aufgerissenen Augen und hochrotem Gesicht.
Anmutig sprang Nefret auf. Sie trat zu mir, legte ihre Hand auf meine Schulter und küsste mich auf die Wange. Dann wandte sie sich zu Emerson, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn ebenfalls, wie sie es in ihrer Kindheit getan hatte. »Gute Nacht, Mutter«, sagte sie sanft. »Gute Nacht, Vater.«
Mein geliebter Emerson war dermaßen überwältigt, dass ich ihn aus dem Zimmer schieben musste. Die Tür fiel hinter uns ins Schloss, und ich hörte, wie der Schlüssel gedreht wurde.
Emerson musste es ebenfalls gehört haben, allerdings war er so gerührt, dass er erst reagierte, als wir unser Zimmer schon fast erreicht hatten.
»Also!«, rief er und blieb abrupt stehen. »Was hat sie … Was machen sie …«
»Du hast sie gehört. Ich dachte, du wärst erfreut.«
»Erfreut? Mein halbes Leben lang habe ich darauf gewartet, dass sie mich Vater nennt. Ich nehme an, sie glaubte, sie dürfe nicht, bis sie das Recht durch … Gütiger Himmel, Peabody – sie hat die Tür abgeschlossen! Er ist nicht fähig –«
»Also wirklich, mein Lieber, ich glaube nicht, dass du in der Lage bist, das zu beurteilen.« Ich zerrte an ihm, bis er sich von mir in unser Zimmer schleifen und in einen Sessel drücken ließ. Nach einer kurzen Bestandsaufnahme der Situation ging ich zurück zur Tür und verschloss sie.
»Sie werden doch heiraten, oder?«, fragte Emerson skeptisch. »Wenn wir wieder in England sind?«
»Oh, Emerson, sei nicht absurd. Sie werden heiraten, sobald ich die entsprechenden Vorbereitungen treffen kann. Ich nehme nicht an, dass sie ein konventionelles Brautkleid tragen möchte.« Ich fing an, mein Kleid zu öffnen. »Vielleicht eines ihrer hübschen Gewänder«, fuhr ich
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