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Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra

Titel: Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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diese Hoffnung das Denken der meisten Archäologen. Amelia P. Emerson gehört nicht zu diesen Heuchlern. Ich wollte – in erster Linie natürlich für meinen geliebten Emerson – eine unangetastete Sargkammer mit ihren vollständigen Grabbeigaben: Halsgeschmeide aus Gold und Emaille, Armbänder und Amulette, einen Sarkophag mit Inschrift, Gefäße aus Kupfer und Keramik – eine noch prachtvollere Bestattung als die zwei Jahre zuvor von Mr Reisner entdeckte. Es bestand Anlass zu Optimismus: Die erfahrenen Grabräuber von Gizeh hatten den Schacht für lohnenswert erachtet.
    Er war komplett mit Sand zugeschüttet gewesen. Emerson hatte beabsichtigt, ihn als Letztes freizulegen, da sich – wie ich bereits erwähnte – dort unten nur selten etwas befindet. Allerdings hatten wir die Öffnung lokalisiert und dorthin strebten wir soeben.
    Irgendjemand harte sich einwandfrei in irgendeiner Form betätigt. Wo zuvor nur eine kleine Mulde im Boden gewesen war, klaffte jetzt ein Loch von ungefähr drei Metern Tiefe. Geröll türmte sich ringsherum auf und ein Sandhaufen zierte die Öffnung, die untrüglichen Anzeichen für eine hastige Exkavation.
    Die Hände in seine Hüften gestemmt, starrte Emerson stirnrunzelnd in die Tiefe und wetterte: »Zur Hölle mit ihnen!«
    »Warum sagst du das, Emerson?«, hob ich an. »Das ist sicherlich ein positives Zeichen. Die Grabräuber von Gizeh –«
    »Haben vielleicht schon gefunden, was sie suchten«, brummte Emerson.
    »So nahe an der Oberfläche?«, wandte Ramses ein. Er streckte eine Hand aus, um Nefret festzuhalten, die am Rand der Öffnung kauerte.
    Emersons Gesicht hellte sich auf. »Nun, vielleicht auch nicht. Einer der Wachmänner könnte sie aufgeschreckt haben. Allerdings habe ich es diesen Halunken leicht gemacht, denn auf Grund des provisorisch errichteten Dachs waren sie vor Passantenblicken geschützt. Inzwischen bin ich zu der Einsicht gelangt, dass wir diesen verfluchten Gang freilegen müssen, bevor sie erneut auftauchen.«
    »Einer von uns wird nachts hier bleiben«, schlug Selim vor.
    »Hmhm.« Emerson fingerte an seinem Kinngrübchen herum. »Nett von dir, das anzubieten, Selim, aber ich glaube nicht, dass das erforderlich sein wird. Ich werde ein paar Worte mit dem Oberaufseher reden.«
    »Ihm unter anderem auch androhen, dass du ihm ›die Leber rausreißen wirst‹?«, warf Nefret ein. Ihre blauen Augen funkelten und ein rosiger Hauch überzog ihre gebräunten Wangen. Ach ja, dachte ich voller Zuneigung, die Leidenschaft für die Archäologie liegt uns allen im Blut. Vielleicht würde diese Entwicklung das Kind eine Weile von anderem Ungemach fern halten.
    Emerson bedachte sie mit einem zärtlichen Lächeln. »Mag sein, dass ich etwas Vergleichbares äußere. Ich möchte, dass du und Ramses wieder in die Grabstätte geht, Nefret. Je eher ihr die Fotos und die Abschriften der Reliefs fertig gestellt habt, umso erfreulicher für mich. Selim wird dafür sorgen, dass die Männer den Schacht freilegen. Unterbrich ihre Arbeit umgehend, sofern sie auf irgendeinen Gegenstand stoßen, und stelle sicher …«
    Eine Zeit lang fuhr er fort, Selim überflüssige Anweisungen zu geben. Der junge Mann war von seinem Vater ausgebildet worden, dem besten Rais von ganz Ägypten, und von Emerson höchstpersönlich. Selims Bart zuckte ununterbrochen, aber ich hätte nicht beurteilen können, ob die Bewegungen seiner Lippen von unterdrückter Heiterkeit oder angestauter Ungeduld herrührten. Er wusste genau, dass er Emerson nicht ins Wort fallen durfte, doch als mein Gatte eine Atempause einlegte, sagte er: »Ja, Vater der Flüche, es soll alles nach deinen Wünschen geschehen.«
    An jenem Morgen hätte ich mir gewünscht, drei Identitäten gleichzeitig verkörpern zu können: Die Archäologin in mir wollte sich in der Nähe von Selim und seinen Männern aufhalten und nach Artefakten Ausschau halten; die Detektivin (denn ich glaube, ich habe einen gewissen Anspruch auf diesen Titel) zog es vor, ein wachsames Auge auf verdächtige Besucher zu werfen; die Mutter verlangte danach, ihren impulsiven Sprössling zu beobachten und ihn vor törichten Handlungen zu bewahren. Letztere Identität trug den Sieg davon. Als ich über den sandigen Abhang in Richtung Grabeingang kroch, vernahm ich aufgebracht diskutierende Stimmen – Ramses und Nefret stritten sich wie in alten Zeiten.
    »Was geht hier vor?«, wollte ich wissen, als ich die Kammer betrat.
    Sie standen Seite an Seite vor der Wand.

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