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Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra

Titel: Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Persönlichkeit unter einem Panzer, so dick wie der einer Schildkröte«, fuhr Emerson hochtrabend fort. »Genau, wie du, mein Schatz, es bei jedem außer mir praktizierst. Ich verstehe dich ja, Peabody, aber beherrsche dich um Himmels willen! Alles, was er heute tun muss, ist, ruhig auf einem Schemel zu sitzen und Texte zu kopieren. Nach seinen jüngsten Aktivitäten sollte das doch wirklich entspannend sein.«
    Das vermochte ich nicht abzustreiten. Allerdings gehen die wohlmeinenden Pläne von Mäusen und Menschen, einschließlich Emersons, gelegentlich schief. Als wir in Gizeh eintrafen, erwartete Selim uns bereits. Unser junger Rais hat ein offenes, ehrliches Gesicht, und der prächtige Bart, den er sich hatte wachsen lassen, um seinen Männern mehr Respekt einzuflößen, konnte seine Emotionen nicht verbergen. Ein Blick genügte Emerson.
    »Was ist passiert?«, wollte er wissen. »Ist eine Wand eingestürzt? Ist jemand verletzt?«
    »Nein, Vater der Flüche.« Selim rang die Hände. »Es ist schlimmer als das! Jemand hat versucht, das Grab zu plündern.«
    Laut fluchend stürmte Emerson zum Eingang. In seiner Eile zog er seinen Kopf unter dem Steinfirst nicht weit genug ein; ich hörte ein Krachen und einen weiteren Fluch, bevor er im Innern verschwand.
    Wir anderen folgten ihm. Selim lamentierte, wie stets, wenn er aufgebracht war. »Es ist meine Schuld. Ich hätte einen Wachtposten aufstellen müssen. Aber wer hätte vermutet, dass ein Grabräuber so dreist sein könnte? Hier, direkt am Fuß der Großen Pyramide, im Beisein von Besuchern und Führern und …«
    Eine solche Dreistigkeit war erstaunlich, aber nicht neu für mich. Die Grabschänder, die unerlaubt in antike Stätten vordringen, sind ausgesprochen geschickt und verschlagen. Gräber wie diese ließen sich vergleichsweise leicht plündern, sobald sie freigelegt waren. Die schönen Reliefs erfreuten sich riesiger Nachfrage bei den Sammlern, und die Maueroberfläche bestand aus aufgeschichteten Felsblöcken, die man einzeln entfernen konnte. Dabei wurde dem Monument erheblicher Schaden zugefügt, doch das interessierte weder die Grabräuber noch die Sammler. Vorübergehend verdrängte die Leidenschaft für die Archäologie meine anderen Sorgen, und ich befand mich in einem Zustand höchster berufsbedingter Aufregung, als ich die schwach erhellte Kammer betrat.
    Ein rascher Blick durch den Raum dokumentierte mir erstens, dass Emerson kerzengerade aufgerichtet und unbeweglich dastand, und zweitens, dass die Wände genauso intakt waren wie bei meinem letzten Besuch. Der Prinz und seine Herzdame blickten mit tiefer Befriedigung auf die reich gedeckte Tafel vor ihnen; die Heerscharen von Dienern, die Gefäße und Blumen trugen, Vieh hüteten und Getreide schnitten, waren gänzlich unversehrt. Ein tiefer Seufzer der Erleichterung entwich meiner Kehle. Emerson entfuhr ein inbrünstiger Wutschrei.
    »Was zum Teufel meinst du damit, Selim? Hier wurde nichts angerührt. Hast du Träume oder Visionen oder …« Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Er packte den jungen Burschen am Kragen und zog ihn zu sich. »Du hast doch nicht etwa Haschisch geraucht, oder?«
    »Nein, Vater der Flüche.« Selim schien gekränkt, aber nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Alle unsere Männer waren Emersons Temperamentsausbrüche gewohnt. Es war sein leiser, maßvoller Ton, den sie fürchteten.
    »Ihr wart zu schnell«, fuhr Selim beleidigt fort. »Ihr habt mich nicht ausreden lassen. Man ist nicht in diesen Teil der Gruft eingedrungen, sondern in den Schacht zur Sargkammer.«
    »Oh.« Emerson lockerte seinen Griff. »Entschuldigung. Zeig’s mir.«
    Wie ich bereits darlegte, bestehen die Gräber aus dieser Epoche aus einer oder mehreren oberirdischen Kammern, die dem Begräbniskult um die Verstorbenen dienten. Die Mumie und ihr Sarg befanden sich am Ende eines tiefen, durch den Oberbau in das Felsgestein gehauenen Gangs. In Ermangelung von Museen und Touristen, die auf den Erwerb von Artefakten erpicht waren, plünderten die frühzeitlichen Diebe lediglich das, was sie selbst gebrauchen oder an ihre gedankenlosen Zeitgenossen veräußern konnten – Leinen, Öl, Schmuck und dergleichen. Deshalb strebten sie (wie der werte Leser zweifellos folgert) direkt zur Grabkammer. In allen bislang freigelegten Grabstätten war man nur ein einziges Mal auf eine unversehrte Sargkammer gestoßen.
    Konnte diese hier eine weitere sein? Wer es abstreiten will, möge es tun, dennoch beflügelt

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