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Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden

Titel: Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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zurückgelassen und arabische Kleidung übergestreift hatten, mussten wir weniger als eine Meile gehen. Emerson liebte diese Art der Verkleidung, denn als muslimische Frau getarnt, musste ich ihm in einigem Abstand folgen. Wir näherten uns dem Dorf aus südlicher Richtung, wo die Felsvorsprünge Deckung boten. Mittlerweile stand die Sonne tief im Westen. Er und Selim ließen sich wartend nieder. Ich ging weiter.
    Diesem Teil des Plans hatte Emerson erst nach heftiger Auseinandersetzung zugestimmt, aber meiner Ansicht nach war es unumgänglich, falls tatsächlich jemand im Haus weilte, und ich war die Einzige, die es betreten konnte, ohne Verdacht zu erregen. Viele der ärmeren Frauen gingen unverschleiert und ich folgte ihrem Beispiel, gleichwohl bedeckte der Kopfschal mein Gesicht, das ich mit einer von Ramses’ zweckdienlichen Tarnfarben dunkel geschminkt hatte.
    Während ich auf das Haus zuschlenderte, traf ich nicht eine Menschenseele. Selbst der Hund war verschwunden. Bei unserem ersten Besuch hatten die Dorfbewohner sich in ihren Hütten verborgen; inzwischen schienen sie überstürzt das Weite gesucht zu haben. Sie mochten ungebildet und unwissend sein, aber sie waren nicht dumm. »Wenn der Vater der Flüche auftaucht, naht Ungemach«, wie Daoud zu sagen pflegte. Sie mussten gewusst haben, dass das Ungemach noch nicht vorüber war – dass der Vater der Flüche jemanden für Sennias Entführung verantwortlich machte; dass er zurückkehren würde, Feuer speiend und sämtliche Dämonen Ägyptens zu seiner Hilfe anrufend. Ich glaubte nicht, dass einer der anderen direkt beteiligt war, aber nicht nur die Schuldigen fliehen, wenn Verfolgung droht.
    Ich bezweifelte, dass sie die alte Frau mitgenommen hatten. Sie wäre ihnen nur lästig gewesen, stattdessen musste sie als Sündenbock herhalten. Und richtig, sie war da und kauerte in der Ecke neben der Kohlenpfanne – es erweckte den Eindruck, als hätte sie sich seit unserer letzten Begegnung nicht gerührt. Als ich eintrat und die Tür hinter mir schloss, hob sie den Kopf.
    »Hab keine Angst«, sagte ich sanft. »Ich bin es, die Sitt Hakim.«
    Sie nickte. »Ich wusste, dass du zurückkommen würdest. Die anderen wussten es auch. Sie sind weggelaufen.«
    »Dein Sohn ist nicht zurückgekehrt?«
    »Nein.« Mit derselben tonlosen Stimme fuhr sie fort: »Er wird nicht zurückkehren. Die Nachricht von eurem Kommen hat inzwischen die Runde gemacht, und wenn er davon erfährt, wird er weit weggehen und nie mehr zurückkommen, und ich werde allein sein, keiner wird für mich sorgen. Ist das Kind in Sicherheit?«
    »Ja. Sicher und glücklich.«
    »Sie ist ein gutes Kind, lieb und folgsam. Er hat mir geschworen, er würde ihr kein Haar krümmen. Sie wollte die Honigkuchen nicht essen …«
    Ihre Stimme senkte sich zu einem Murmeln und sie begann hin und her zu schaukeln, ihre Arme vor der Brust verschränkt, als wiegte sie ein Kind. Sie hatte einen Teil des Geldgeschenks für Opium ausgegeben. Ich erkannte es an dem eigentümlichen Geruch. Nun, wer konnte es ihr verdenken, dass sie einem Leben in Blindheit, Armut und Einsamkeit zu entfliehen suchte?
    Ich blickte mich im Zimmer um, überlegte, was zu tun sei. Draußen wurde es dunkel und schon bald wäre das Innere pechschwarz. Sitzen konnte man nur auf dem Boden, auf dem sich Kolonien von Insekten tummelten; meine Fußknöchel wurden bereits heftig attackiert. Ich entschied, mich auf die Seite des Raums zu stellen, wo mich die Tür verbarg, wenn sie geöffnet würde. Die Alte beachtete mich nicht weiter. Sie schwelgte in den Erinnerungen an eine glücklichere Vergangenheit, wo sie ein Kind in den Armen gewiegt hatte.
    Es war durchaus möglich, dass unser geplanter Hinterhalt von Anfang an unter schlechten Vorzeichen stand.
    Die Dorfbewohner, mittlerweile in alle Winde zerstreut, würden jedem von den ereignisreichen morgendlichen Zwischenfällen berichten, der ihnen über den Weg lief.
    Vielleicht nahm einer von ihnen sogar das Wagnis auf sich, Saleh aufzuspüren und ihn zu warnen, dass sein Vorhaben gescheitert war. Und sollte er es nicht aus erster Hand erfahren, so würde er sich spätestens bei der Entdeckung, dass die Tür entriegelt war, denken können, dass irgendetwas im Argen lag.
    Nach meinem Dafürhalten rechtfertigten diese Eventualitäten aber keinesfalls, dass wir unseren Plan aufgaben. Es waren Möglichkeiten, keine Gewissheiten, und ich war sicher, Emerson stimmte mir zu, dass wir jede noch so geringe Chance

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