Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
das Bett. »Du wirst ihn genau dort haben, wo du ihn haben willst. Vor dem nächsten Anfall wird er zwar geschwächt sein, aber bei klarem Verstand.«
Ramses warf sein Jackett über einen Stuhl und begann, sein Hemd aufzuknöpfen. »Einen Kranken übervorteilen? Nun, warum nicht? Das ist in der besten Tradition des Spiels.«
»Ramses, du musst es tun. Das hier ist eine überaus unangenehme Entwicklung. Du verstehst die Zusammenhänge nicht.«
»Nein, ich verstehe wahrhaftig nicht, worauf du hinauswillst.«
Er entkleidete sich und streifte eine Galabija über, wohl wissend, dass er vermutlich in aller Herrgottsfrühe von einer hysterischen Frau aus den Federn geholt würde. Nefret setzte sich im Schneidersitz auf.
»Wenn er schon früher Anfälle gehabt hätte, hätte er die Symptome erkannt. Bei den meisten Formen der Malaria sind Rückfälle unvermeidlich; wir wissen nicht, wie man sie heilen kann, wir können sie nur lindern, und man weiß nie, wann der nächste Fieberschub auftritt. Ein weitsichtiger Mann – für den ich ihn halte – täte verdammt gut daran, wenn er immer Chinin dabeihätte.«
»Soll heißen?«
»Wenn dies sein erster Anfall war, dann wurde er vor ungefähr zehn Tagen infiziert, durch einen Moskitobiss. Malariagebiete gibt es im Delta und in der Kanalzone, allerdings haben die öffentlichen Maßnahmen zur Gesundheitsfürsorge das Auftreten der Krankheit erheblich eingedämmt. Mir fällt nur noch ein einziges Gebiet hier in der Nähe ein«, schloss Nefret, »wo die Malaria verbreitet ist.«
»In den Oasen?«
»Richtig.«
»Kharga«, murmelte Ramses. »Seit Asads Befreiung sind mehr als zehn Tage vergangen.«
»Also ist er seitdem zurück und in anderer Sache tätig. Wie du bereits erwähntest, sind es mit dem Zug nur ein paar Stunden.« Sie beugte sich vor, ihre glatte Stirn in tiefe Falten gelegt. »Vergiss nicht, er war derjenige, der dich gefragt hat, ob du ihn verdächtigst, Asad auf deine Spur gehetzt zu haben. Der Gedanke ist weder dir noch mir gekommen, bevor er ihn aufbrachte. Schuldgefühle?«
»Ich kann es nicht glauben.«
»Mir gefällt die Vorstellung ebenso wenig, aber wir wären dumm, wenn wir die Möglichkeit außer Acht ließen. Er wusste, dass du im letzten Winter Wardanis Platz eingenommen hast; er wusste, dass Wardanis Stellvertreter in die Oasen verbannt worden waren, und er ist gerissen genug, um zu erkennen, dass man einen emotionsgeladenen Burschen wie Asad zu einem Vergeltungsschlag aufwiegeln könnte. Du hast es selber gesagt – er ist hinter einer großen Sache her, irgendetwas, wofür er Zeit und Abgeschiedenheit braucht. Was gäbe es da Besseres, als uns in Kairo festzunageln, wo wir ihm nicht in die Quere kommen, und einen überzeugten Attentäter auf uns anzusetzen? Pech für ihn, dass wir nicht so reagierten wie von ihm erhofft. Alles, was seither passiert ist, diente einzig dazu, uns aus Luxor zu vertreiben.«
»Einschließlich des Anschlags auf Mutter?«, fragte Ramses ungläubig.
»Seine Helfershelfer – ich liebe diesen Begriff – haben seine Anweisungen vielleicht missverstanden.«
»Also schau mal, Nefret …«
»Es war nur eine Idee«, murmelte Nefret. »Nein, mein Schatz, es gibt noch eine Alternative. Er hat die Wahrheit gesagt, als er von einem Rivalen sprach. Jemand anders hat es auf seine phänomenale Entdeckung abgesehen.«
»So scheint es.« Er löschte das Licht, bevor er zu ihr trat. »Sayid wurde bestochen, damit er Margaret erzählte, wo sie Sethos finden könnte. Das ist die einzig mögliche Erklärung; Sayid ist der letzte Mann auf Erden, dem Sethos sein Versteck verraten würde. Sie müssen ihm schon vorher eine Falle gestellt haben und kläglich gescheitert sein. Also hofften sie, Margarets Auftauchen würde ihn so lange ablenken, dass sie eindringen könnten.« »Dann muss Sayid wissen, wer ›sie‹ sind.«
»Nicht wenn jeder getarnt herumläuft«, erwiderte Ramses verdrossen. »Er ist beileibe nicht der scharfsichtigste Beobachter. Oh, wir werden ein Wörtchen mit ihm reden, dennoch nehme ich an, er wird beteuern, dass er sich lediglich einen hübschen, kleinen Scherz mit der Sitt erlaubt hat.«
»Wir stecken zu tief drin, um jetzt noch auszusteigen, stimmt’s?«, fragte sie zaghaft. Er nahm sie in die Arme. »Leider ja. Schlaf ein bisschen, es ist schon spät. Morgen werden wir unseren nächsten Schritt überlegen.« Die Nähe seiner Frau hatte die übliche Wirkung, aber das verdammte Pflichtgefühl, das seine
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