Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
eingefallen. Sie würden Cyrus warnen und sich eine weitere Notlüge für ihn und Katherine ausdenken müssen; nicht einmal Cyrus durften sie die wahre Identität von Nefrets Patient enthüllen. Ramses fluchte leise. Haarsträubende Geschichten zu ersinnen war eher nach Mutters Geschmack – gleichwohl konnte er dem Allmächtigen nur danken, dass sie nicht zugegen war und eine Situation zusätzlich erschwerte, die ihm bereits aus der Hand glitt. Er würde bis zum Nachmittag warten müssen, wenn die Männer schliefen, um Margaret über den Fluss zu bringen. Außerdem musste es ihm irgendwie gelingen, Sethos das Geheimnis zu entlocken, das er ihm so beharrlich verschwieg …
Und er musste Jumana und Jamil loswerden. Er hatte sich kaum gesetzt, als sie auch schon auftauchten. Einen weiteren Fluch knurrend, strebte er zur Reling. Als Jumana ihn sah, winkte sie und rief ihm etwas zu. In Nefrets Kleidern wirkte sie wie eine aufgezogene Puppe.
»Fluch nicht ständig.« Nefret gesellte sich zu ihm an die Reling.
»Was, ich? Sag ihnen, dass wir sie heute nicht brauchen, Nefret.«
»Iss dein Frühstück, bevor es kalt wird.« Sie drehte sich um und ging die Stufen hinunter. Nasir wartete dienstbeflissen, eine Serviette über den Arm gelegt, wie sie es ihm gezeigt hatte, bereit, das Frühstück aufzutragen, aber Ramses blieb an der Reling stehen und betrachtete Nefret, die mit Jumana diskutierte. Er hätte die Aufgabe selber übernehmen müssen, statt sie ihr zu überlassen, aber das unerquickliche Gespräch mit Sethos hatte ihn so aufgebracht, dass er sich nicht sicher war, ob er sich normal verhalten würde.
Einige neu ausgeliehene Bücher stellten Jumana zufrieden. Jamil lungerte noch herum, fachsimpelte und prahlte vor Ashraf, ehe er seiner Schwester folgte. Nefret kam nach oben. Sie verschmähte Nasirs Angebot, ihr Frühstück aufzuwärmen, erklärte ihm, sie würden sich selbst bedienen, und aß lauwarme Eier und durchweichten Toast.
»Verzeih mir«, murmelte Ramses. »Ich selber hätte sie wegschicken sollen, statt dich …«
»Hör auf damit.« Sie sah auf. Ihre Augen sprühten Blitze. »Du entschuldigst dich ständig für die falschen Dinge. Welches idiotische Bravourstück hast du eigentlich für heute Abend geplant? Wenn du entschlossen bist, es durchzuziehen, komme ich mit.«
»Jemand muss bei ihm bleiben.«
»Jemand! Warum muss immer ich dieser Jemand sein?« In ihren Augen schimmerten Tränen – vermutlich vor Wut.
»In diesem Fall …«
»Ich weiß.« Sie wischte sich die Augen. »Aber ich bestehe darauf zu erfahren, wohin du gehst und was du vorhast.«
»Der vordergründige Plan sieht vor, zu dem Haus zurückzukehren, in dem er lebte, und so zu tun, als suchte man etwas, was er in der Eile zurücklassen musste. Ich werde mich einigen der Dorfbewohner zeigen, Schuldgefühle und Entsetzen verbreiten und schleunigst verschwinden.«
»Das habe ich mir gedacht. Verflucht, Ramses, was ist, wenn einige der … der anderen das Haus beobachten?«
»Dann verschwinde ich eben noch schneller.« Es war der schwache Versuch, humorvoll zu sein, und Nefret gab sich absolut nicht belustigt. Er fasste ihre Hand. »Ich bezweifle, dass sie für eine Überwachung genug Männer haben, Nefret. Dennoch würde es mir sicherlich weiterhelfen zu wissen, wer sie sind, wie viele es sind und was sie von ihm wollen.«
Entschlossen kniff sie die Lippen zusammen. »Ich werde es herausfinden.«
»Du würdest einen Kranken übervorteilen?«
Sie schob ihren Stuhl zurück. »Noch eine solche Bemerkung, Ramses Emerson, und es wird dir Leid tun. Den letzten Anfall hat er nur vorgetäuscht. Wenn die Krankheit nach dem üblichen Muster verläuft, wird es ihn erst am Spätnachmittag wieder erwischen, und augenblicklich ist es mir verflucht egal, ob er dann seinen Odem aushaucht. Willst du mitkommen?«
»Ich möchte es um nichts in der Welt versäumen.«
Sethos lag mit dem Rücken zur Tür. Als diese aufsprang, drehte er sich um. Die Rüschen, die sein stoppliges Gesicht umrahmten, hätten auf Anhieb Heiterkeit auslösen müssen, aber Sethos trug sie, wie nur ihm das gelang.
»Was liegt an?«, erkundigte er sich.
Nefret setzte sich neben ihn und redete sanft auf ihn ein. Nach nur ein paar Sätzen rang Sethos die Hände. »Ich sollte wirklich nicht mit einer Frau diskutieren, wenn sie in dieser Stimmung ist. Du würdest mich, ohne mit der Wimper zu zucken, umbringen, wenn es ihm helfen würde, stimmt’s?«
»Ja.«
»Hmmm. Einzig
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