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Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden

Titel: Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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ein wenig gescholten, nur zum Spaß – er wusste, dass sie scherzte, und sie genoss es, wenn seine ernste Miene zu einem Lächeln entspannte und seine Augen ihr Lachen erwiderten –, dennoch war sie froh um das Alleinsein.
    Für eine Weile jedenfalls. Sie straffte sich, rieb sich den schmerzenden Rücken und betrachtete die Bücherstapel auf dem Boden und auf den Tischen im Salon. Das war ein großer Raum im Bug des Hausbootes, mit einem geschwungenen Diwan unter den Bullaugen, und er wäre bestimmt ansprechend, wenn sie die Kissen erst einmal frisch überzogen, die neuen Gardinen aufgehängt und die neuen Teppiche ausgerollt hätte. Und wenn die Bücher in Reih und Glied auf den Regalen stünden.
    Mittlerweile sollte er wieder hier sein. Er hatte versprochen, zeitig aufzubrechen; aber sich von Emerson loszueisen, wenn dieser einen zur Arbeit eingeteilt hatte, war sicher nicht einfach, zumindest nicht für Emersons Sohn. Sie wusste ihn zu nehmen, dennoch fragte sie sich gelegentlich, ob Ramses seinem Vater jemals etwas abschlagen und konsequent zu seinem Nein stehen könnte. Sie schritt nervös im Zimmer auf und ab, spähte aus dem Fenster und sortierte noch weitere Bücher ein. Dabei fiel ihr Blick auf das Porträt ihrer Schwiegermutter, das über dem Bücherregal hing.
    Es war nicht das erste Mal an jenem Tag, dass diese gemalten Augen ihren Blick erwiderten. David hatte hervorragende Arbeit geleistet; seine Zuneigung zu dem Modell und sein feinsinniger Humor verliehen dem Porträt Lebendigkeit. Sie sah den Betrachter direkt an, ihren Sonnenschirm in der Hand, die in Stiefeln steckenden Füße energisch in den Sand gestemmt. Im Hintergrund ein Panorama aus Pyramiden, Kamelen, Minaretten und den thebanischen Klippen – ein buntes Kaleidoskop ihres geliebten Ägyptens. Der frontale, feste Blick und das unmerkliche Lächeln auf ihren Lippen waren Tante Amelia, wie sie leibte und lebte. Nefret liebte das Bild. Sie fragte sich nur, wie lange sie es hier in diesem Raum ertragen könnte, wo es Stunde um Stunde, Tag für Tag auf sie herabstarren würde.
    Sie kniete sich auf den Diwan und blickte aus dem Fenster. Die Amelia lag an dem öffentlichen Dock vor Anker, nicht weit vom Haus. Der letzte Dampfer war im Begriff abzulegen; am Kai tummelten sich Scharen von verschwitzten, staubigen Touristen, umlagert von Dragomanen, die sie auf die Fähre lotsen wollten. Wie konnte er sich verspäten, wenn er doch wusste, dass sie auf ihn wartete? Irgendwann einmal hatte sie sich gewünscht, sie könne sich Hals über Kopf, unsterblich, irrsinnig verlieben. Ihr Wunsch hatte sich erfüllt. Wenn sie mehr als ein paar Stunden von ihm getrennt war, fühlte sie sich einsam und innerlich leer. Sie legte sich hin und schloss die Augen, stellte sich ihn in Gedanken vor, rekapitulierte die Dinge, die er in der Nacht zuvor gesagt hatte.
    »Warum diese Eile? Ich sehne mich genau wie du nach einer gewissen Privatsphäre, aber ein oder zwei weitere Tage hier …«
    »… sind ein oder zwei Tage zu viel! Oh, ich weiß, ich bin uneinsichtig und ungerecht; sie mögen uns so sehr, dass sie uns ständig um sich haben wollen. Traute Zweisamkeit ist uns daher nur nachts vergönnt; wenn wir uns tagsüber wegstehlen, wissen sie, warum, und Sennia schreckt nicht davor zurück, dich zu suchen, so wie gestern – mir blieb fast das Herz stehen, als sie an die Tür klopfte und deinen Namen rief.«
    Er lachte tonlos, sein Atem streifte ihr Haar. »Der Augenblick war gewiss nicht gut gewählt. Mutter würde sagen, es geschieht mir ganz recht. Ich kann mich an mindestens eine Episode erinnern, wo ich meine Eltern in einer ähnlichen Situation aufschreckte. Es war das einzige Mal, dass Vater mir drohte, mich zu verprügeln.«
    »Das kann ich ihm nicht verdenken.«
    »Ich heute auch nicht mehr … Meine einzige Entschuldigung ist die, dass ich damals zu jung war, um die Situation zu erfassen.«
    »Wie alt warst du da?«
    »Zehn.« Sein Atemrhythmus veränderte sich, seine Umarmung wurde inniger. »Einige Tage später sah ich dich zum ersten Mal. Immerhin war ich alt genug, um eine Sache zu erkennen – dass es nie eine andere als dich geben würde. Tu nicht so, als hättest du das Gleiche empfunden. Es hat mich Jahre gekostet, die Rolle des jüngeren Bruders abzustreifen.«
    Inzwischen konnten sie darüber reden, über die Missverständnisse und Kümmernisse, die sie so lange nicht zueinander hatten finden lassen. Über fast alles. »Und, hat sich das Warten

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