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Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden

Titel: Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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hielt. Sie sah, wie es niedersauste, sah den Arm ihres Mannes hochschnellen, um es abzuwehren – indes reagierte er langsamer als sonst, und er machte auch keine weiteren Anstalten, sich zu verteidigen oder anzugreifen. Sein Jackenärmel wurde dunkel. Blut rann über seine Hand und tropfte auf den Boden.
    Nefret verharrte reglos und schweigend, obschon ihre Stimmbänder und jeder Muskel ihres Körpers rebellierten. Ihre Instinkte lehnten sich dagegen auf, den passiven Beobachter zu spielen, dennoch versuchte sie, ihre Impulsivität zu zügeln, die in der Vergangenheit zu erheblichen Problemen geführt hatte. Ramses hätte den Hieb des Angreifers mit Leichtigkeit abwehren können; sie hatte ihn im Kampf mit weitaus erfahreneren Gegnern erlebt, als es dieser hier zu sein schien.
    Nach einigen unendlich währenden Sekunden stieß die Erscheinung ein seltsam schauerliches Stöhnen aus und verschwand. Ramses verfolgte sie. Die Zähne zusammengebissen, blieb Nefret, wo sie war, und veränderte den Strahl der Taschenlampe, dass er die beiden Gestalten erhellte.
    Ramses hatte seinen Angreifer gepackt. Letztlich war es doch ein Mensch aus Fleisch und Blut; seine dunkle Kleidung hatte ihn praktisch unsichtbar wirken lassen, und die grässlichen Augen waren eine Brille, in der sich der Lichtkegel der Taschenlampe spiegelte.
    »Alles in Ordnung«, sagte ihr Gatte, und obwohl er englisch sprach, war ihr klar, dass er nicht sie meinte. »Nichts für ungut. Du hast deine Mission erfüllt. Gib mir das Messer.«
    Der Schal, mit dem der Mann den unteren Teil seines Gesichts vermummt hatte, war verrutscht und enthüllte einen kümmerlichen Bart und eingefallene Wangen. Er hielt die Hände hoch. Sie waren leer. Er schlug sie vor sein Gesicht und fing an zu weinen.
3. Kapitel
    In früheren Zeiten hatte ich es mir zu Eigen gemacht, kurz nach unserer Ankunft in Ägypten eine kleine Dinnerparty zu geben, um Freunde zu begrüßen und das Neueste zu erfahren. In jenem Jahr brachte ich es nicht übers Herz. Viele unserer Freunde waren gegangen, in eine bessere Welt oder in den Ruhestand; ein Großteil der jüngeren Generation war im Krieg; und zum ersten Mal seit vielen Exkavationsaufenthalten weilten unsere engsten Freunde, Cyrus und Katherine Vandergelt, nicht in Ägypten. Cyrus war Amerikaner und ohnehin zu alt für den Militärdienst (obgleich ich nicht diejenige hätte sein mögen, die ihm das auf den Kopf zusagte), aber Katherine war von Geburt Engländerin und ihr Sohn Bertie hatte sich als einer der Ersten freiwillig gemeldet. Nach mehreren kleineren Verletzungen, die ihn nicht daran gehindert hatten, an die Front zurückzukehren, war er von einer explodierten Granate an Bein, Arm, Brust und Kopf verwundet worden und erholte sich nur langsam. Seine Mutter und seine Schwester pflegten ihn, und Cyrus versorgte ihn mit jedwedem Luxus, den es für Geld zu kaufen gab. Für Bertie war der Krieg Gott sei Dank vorbei, aber zu welchem Preis!
    In der Tat wäre ein Fest unangemessen gewesen. Allerdings sah ich es als meine Pflicht an, die Verbindung zu diversen Bekannten wieder aufzunehmen, die sich noch in der Stadt aufhielten. Der von Emerson eingebrachte Begriff »dummes Geschwätz« war nur einer seiner kleinen Scherze. Es ist wichtig zu wissen, was unmittelbar passiert. Ich war über Monate hinweg Außenstehende gewesen; nirgends unterlag die Presse einer so starken Kontrolle wie in Ägypten, selbst Briefe von Freunden wurden bis zur Unlesbarkeit zensiert. Ich hatte Nefret gefragt, ob sie und Ramses uns begleiten wollten, war aber keineswegs überrascht, als sie höflich ablehnte. Also fuhren mein geschätzter Emerson und ich allein nach Kairo. Wir seien einander Gesellschaft genug – so ließ ich ihm gegenüber verlauten.
    Mit Ausnahme der vorherrschenden Farbe Khaki hatte sich der Speisesalon des Shepheard’s kaum verändert. Feine Weine und gehaltvolle Speisen, schneeweißer Damast und funkelndes Kristall, dunkelhäutige Kellner, die hin und her schossen, männliche Zivilisten im krassen Schwarz und Weiß ihrer Abendgarderobe, Frauen mit kostbaren Juwelen und raschelnder Seide. An jenem Abend empfand ich die Atmosphäre auf merkwürdige Weise bedrückend. Niemand bewundert Menschen mit Rückgrat mehr als ich, aber die Anwesenden würden ihren Mut nicht unter Beweis stellen. Hier waren sie nicht in Gefahr. Junge Burschen starben in Frankreich in den Schützengräben, während sie ihren Wein schlürften und die servilen Aufmerksamkeiten

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