Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
vorbereitet habt. Glaubt mir, ich weiß, wie schwierig es war, besonders im Hinblick auf Sennia. Ich mag das liebenswerte kleine Mädchen sehr, aber sie wäre überall auf diesem Hausboot herumgestromert, sie würde sich an die Reling hängen, versuchen, den Mast zu erklettern, und die Crew beschwatzen, ihr Geschichten zu erzählen, während Gargery sie ständig verfolgen und verscheuchen müsste.
Ramses sieht seit langem wieder etwas besser aus. Er hat sogar zugenommen, es ist kaum zu glauben! Fatima muss Maaman einige ihrer Lieblingsrezepte beigebracht und ihm aufgetragen haben, uns alle paar Stunden zu mästen.
Zwei Tage sind vergangen. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Ist es nicht beschämend? Die Tage verschmelzen miteinander. Diesmal habe ich mir fest vorgenommen, einen aufschlussreichen Bericht zu schreiben. Ich habe Ramses selbigen Vorschlag gemacht und er erklärte sich einverstanden, aber dann ging er hinunter in den Salon, und als ich ihn das nächste Mal sah, war er in einen dicken deutschen Wälzer vertieft und gestand mir, dass er keinen Federstrich zu Papier gebracht habe. Also schreibe ich.
Es wird dich beruhigen, dass die Situation in Amarna bei weitem nicht so gravierend ist wie von euch befürchtet. Laut Ramses, der sich jeder verflixten Szene auf jeder Wand in jedem Grabmal zu erinnern scheint – wie macht er das bloß??? –, haben die Einheimischen weder sie noch die Grabstelen zerstört. Er machte einige kritische Anmerkungen zu den von Mr Davies erstellten Kopien gewisser Szenen, vor allem in den Gräbern von Ay und Parennefer. Ich meine, es war Parennefer. Einerlei, es steht alles in seinem Notizbuch. Ich musste ihn aus dem fraglichen Grab förmlich herauszerren.
Was die Ausmaße dieser Stadt anbelangt, so muss diese dermaßen groß gewesen sein, dass man nur grobe Schätzungen vornehmen kann. Das Gebiet, in dem die Deutschen in 1913/14 tätig waren, ist teilweise wieder von Treibsand bedeckt. Ramses meint, du kennst die exakte Lage (im Gegensatz zu mir, selbst nachdem er sie mir gezeigt hat). Es ist alles so flach und konturlos. Wir sind von einem zum anderen Ende der Ebene gewandert – das sind über fünf Meilen, und ich dachte schon, ich würde zunehmen! –, ohne einen Hinweis auf neuere Ausgrabungsaktivitäten zu entdecken. Offen gestanden ist das Gebiet so groß, dass ich mir nicht vorzustellen vermag, wie ein Möchtegerndieb wissen kann, wo er anfangen soll.
An einem Tag haben wir eine sentimentale Pilgerfahrt zu dem Königlichen Wadi unternommen. Ein unfassbarer Ort, nicht wahr – totenstill und karg wie eine Mondlandschaft.
Nach unserer Ankunft haben wir natürlich Scheich ElBeled aufgesucht. Der Scheich erinnert sich gut an euch – vor allem an dich, Mutter. Während wir zusammen Kaffee tranken, erklärte Ramses in seinem blumigsten Arabisch, dass du ein ausgeprägtes Interesse an diesem Gebiet hast und überaus bestürzt wärest, sollte irgendetwas zerstört oder geraubt werden. Der arme Kerl wurde so blass, wie ein Gentleman seiner Hautfarbe nur werden kann. Hast du ihm wirklich erzählt, dass du den Kopf einer ganz bestimmten Person in einem Korb präsentiert haben wolltest? Das hast du uns nie erzählt.
Später.
Gütiger Himmel, ich habe mich wieder ertappt! Ramses bat mich, mitzukommen und den Sonnenuntergang zu betrachten, und eins kam zum anderen. Es war ein atemberaubender Sonnenuntergang. Der Fluss sah aus, als würde er in Flammen stehen.
Um ehrlich zu sein, es sind mehrere Tage vergangen. Ich sollte mich schämen, weil ich so wenig erledigt habe – ich wollte mehrere medizinische Zeitschriften lesen und die neue Publikation der Ägyptischen Forschungsstiftung, und ich wollte das Zeichnen von Hieroglyphen üben, um Ramses bei der Übertragung von Texten zu unterstützen. Er kritisiert meine nie, aber wenn ich gerade nicht hinschaue, übermalt er sie! Er denkt, ich sehe das nicht, aber ich weiß es!
Es war keine verschwendete Zeit, es sei denn Glücklichsein wäre Zeitverschwendung. Wir sind von allem abgeschnitten – keine Zeitungen, keine Briefe, kein Telefon. Ramses wird allerdings ein bisschen unruhig; ich weiß die Zeichen zu deuten. Er kann Untätigkeit nicht allzu lange ertragen. Morgen erreichen wir Luxor, also nimmt unser Idyll bald ein Ende. Bei unserer Ankunft werde ich umgehend diesen Brief abschicken, und ich lasse dich in Kürze wissen, wie es um Luxor steht.
Liebe Mutter, lieber Vater,
Nefret besteht darauf, dass ich ein
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