Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
paar Zeilen hinzufüge. Ich weiß nicht, warum; sie schreibt so viel unterhaltsamer als ich, und sie hat euch alles berichtet, was ihr wissen müsst, zumindest für den Augenblick. Ich wollte gewiss nicht abwertend von Mr Davies sprechen. Es gab nur einige winzige Punkte, was kein Wunder ist, wenn man das gewaltige Ausmaß seiner Arbeit berücksichtigt und das Tempo, in dem diese publiziert wurde.
Wie Nefret bereits erwähnte, sind die Gräber von Amarna unversehrt. Ich habe eine Anzahl neuerer Kritzeleien bemerkt, alle von der Hand eines einzigen Touristen, der vielleicht irgendeiner merkwürdigen Sekte angehört – er hat seinen Namen nicht hinterlassen, sondern lediglich ein eigentümliches Symbol. Diese befinden sich auf den Außenseiten der Felsen. Wenigstens hat der Bursche so viel Feingefühl besessen, sein verfluchtes Monogramm nicht in die Reliefs zu ritzen – mehr kann man eigentlich nicht verlangen.
In Liebe euer Sohn Ramses
Aus Manuskript H
Ramses war sich sehr wohl der wahren Gründe bewusst, warum seine Eltern ihn aus Kairo forthaben wollten. Die Andeutungen seines Vaters hatten die Feinfühligkeit einer Kavallerieeinheit: Für den Fall, dass man nicht beim ersten Mal darauf kam, ritt er so lange darauf herum, bis man es kapierte. Er verstand ihre Besorgnis – in der letzten Saison hatte er ihnen das Leben zur Hölle gemacht –, aber manchmal wünschte er sich, sie würden sich zurückhalten und es ihm überlassen, wie er seine Angelegenheiten regelte.
Gleichwohl war es gut, wieder in Luxor zu sein. Am Morgen nach ihrer Ankunft hatte er sich vor Nefret angekleidet und war hinaus auf das Deck gegangen. Sie hatten einen neuen Steward, einen sauberen, munteren Jungen, der leichte Probleme zeigte, sich mit seinen ungewohnten Pflichten anzufreunden. Er ließ ständig irgendwelche Dinge fallen, vor allem, wenn Nefret zugegen war. Sie beschwichtigte ihn so sanft, dass Ramses sich schon fragte, ob der junge Nasir vorsätzlich handelte.
Während er darauf wartete, dass Nasir den Kaffee servierte, lehnte er sich über die Reling und blickte über das Kulturland zu den westlichen Gebirgszügen, überhaucht vom rosigen Schimmer des Sonnenaufgangs. Sie hatten an dem Dock angelegt, das Cyrus Vandergelt für seine Valley of the Kings gebaut hatte, und Ramses vermochte alle ihm vertrauten Punkte auszumachen: die schmale Straße, die zum Tal der Könige führte, die felsigen Pfade von Dra Abul Nagga und in der Ferne die diffusen Konturen des zerstörten Hatschepsut-Tempels, wo er und David einige der Reliefs kopiert hatten. Er vermisste David, wenn auch nicht so sehr wie früher; die Ehe stellte sich als ein wesentlich zeitaufwändigeres und verwirrenderes Unterfangen heraus als von ihm erwartet. Er hatte sie so lange geliebt und schließlich für sich gewonnen; und doch wuchs sein Verlangen nach ihr mit jedem Tag und damit auch die Furcht, sie zu verlieren. Nur wegen ihr hatte er sich bereit erklärt, Kairo zu verlassen. Sie wäre keinen Schritt von seiner Seite gewichen und hätte mit ihm gekämpft, wenn es erforderlich gewesen wäre – und das war ihr gutes Recht –, dennoch war es ihm schwer genug gefallen, sie als gleichberechtigte Gefährtin und Verbündete zu akzeptieren, war sie doch nur (nur!) die Frau, die er liebte. Inzwischen war sie seine Ehefrau, die sich um ihn sorgte, wie er es nie zu hoffen gewagt hatte, und er hätte sie am liebsten eingeschlossen, um sie in Sicherheit zu wissen. Das hätte sie nie geduldet, warum sollte sie auch … Aber allein der Gedanke, dass ihr etwas zustoßen könnte, trieb ihm den kalten Angstschweiß auf die Stirn.
Er spürte ihre Gegenwart und drehte sich um.
»Verflixt.«
Sie lachte. »Ich wollte mich von hinten anschleichen.«
»Ich weiß immer, wenn du in der Nähe bist.« Er fasste ihre Hände und zog sie an die Reling. Seite an Seite verharrten sie in einvernehmlichem Schweigen, bis das Klirren von fallendem Geschirr Nasirs Eintreffen ankündigte.
»Er macht es absichtlich«, murmelte Ramses, nachdem der Junge sorgfältig alle Scherben aufgekehrt und Nefret ihn weggeschickt hatte. »Die Scherben zu beseitigen liefert ihm einen Vorwand, um hier herumzulungern. Du musst ihn zurechtweisen, sonst haben wir bald keine Tasse mehr.«
»Wir können doch neue kaufen.«
Lachend schüttelte Ramses den Kopf.
»Worauf hast du so intensiv gestarrt?«, wollte sie wissen. »Auf alles. Ich habe es vermisst. Ich habe nur nicht erkannt, wie sehr.«
Genau wie er ließ
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