Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
hatte dieses Versteck ursprünglich aufgespürt. Konnte es sein, dass er sich an diesem Ort verbarg? Der Stollen, der zu einer kleinen, in den Fels gehauenen Kammer führte, war kaum drei Meter tief, und es war unwahrscheinlich, dass jemand dort herumstromerte; die Gurnawis wussten, dass sie die Stätte völlig geplündert hatten.
Jumana blieb vor der kleinen Schlucht stehen, mit dem Rücken zu uns. Sie sah sich vorsichtig um. Emerson zog mich hinter einen Felsvorsprung. Wir wollten nicht riskieren, näher heranzugehen; wir waren kaum zehn Meter von Jumana entfernt, und es war sonst niemand in Sicht.
»Jamil, bist du da?«, rief sie, ihre Stimme aufgewühlt.
Ich hörte nichts. Sie rief erneut: »Ich komme.«
»Jetzt haben wir ihn«, flüsterte Emerson. »Komm.« Als ich mich erhob, war Jumana verschwunden. Emerson rannte zu der Öffnung der Schlucht. Ich ihm dicht auf den Fersen.
Die von der Morgensonne erhellte Senke fiel sanft ab. An ihrem hinteren Ende klaffte der Stollen, ein schwarz gähnendes Loch im Gestein. Keine Spur von Jumana.
»Wo kann sie nur sein?«, sinnierte ich.
»Kümmere dich nicht um das Mädchen. Er kann jedenfalls nicht entkommen sein, dafür blieb ihm keine Zeit.« Auf dem geröllbedeckten Boden kniend, holte Emerson seine Taschenlampe hervor und leuchtete damit in den Schacht.
Er war so leer gefegt, wie wir ihn verlassen hatten, und das allein bestätigte unsere Theorie. Er wäre von Sand und Kieseln verweht gewesen, es sei denn, jemand hatte ihn sauber gehalten. Im Schein der Taschenlampe gewahrte ich einen weiteren Beweis: eine einfache, aber funktionstüchtige Holzleiter.
Bevor ich ihn aufhalten konnte, hatte sich Emerson, die Leiter verschmähend, mit bloßen Händen hinuntergelassen, und seine Stiefel trafen mit einem dumpfen Knall am Boden auf. Das konnte Jamil nicht entgangen sein, selbst wenn er uns nicht hatte kommen hören.
»Zum Teufel, Emerson«, entfuhr es mir. »Warte auf mich!«
Er befand sich bereits in dem engen Durchgang, der zu der Kammer führte. Die Decke war niedrig; er würde sich bücken müssen, was seinen Kopf in eine geradezu ideale Position brächte – ideal für einen gezielten Schlag, meine ich –, sobald dieser auftauchte. Ich warf meinen Schirm in den Stollen und stieg die Leiter hinunter. Meinen Schirm aufhebend, strebte ich eilig in den Gang.
Am Ende war Licht, aber ich hörte nichts, was meine Bedenken keineswegs zerstreute; vielleicht war Emerson bereits verletzt und bewusstlos. Ich fischte meine kleine Pistole aus der Jackentasche.
Sie wurde mir unvermittelt aus der Hand gerissen, als ich das Ende des Durchgangs erreicht hatte.
»Ich hab’s doch gewusst, dass du mit dieser verdammten Pistole herumfuchteln würdest«, blökte Emerson und half mir beim Aufstehen. »Er ist nicht hier, Peabody. Aber er war hier.«
Er leuchtete mit seiner Taschenlampe die kleine Kammer aus. Ein Stapel Decken, zu einem provisorischen Bett aufgeschichtet, Konservendosen, Behälter für Wasser und Bier. Er hatte an alles gedacht.
»Er ist uns wieder entwischt«, entrüstete ich mich. »Wie hat sie ihn warnen können?«
»Ganz offensichtlich war der Vogel bereits ausgeflogen«, erwiderte Emerson. »Umso besser, Peabody, dann hat er uns wenigstens nicht bemerkt. Er wird irgendwann wiederkommen – ist doch gemütlich hier, oder? Wir werden zu den anderen zurückgehen und den Ort im Auge behalten. Sobald ich dieses Mädchen zu fassen bekomme, werde ich dafür sorgen, dass sie ihn nicht warnen kann.« Seine weißen, regelmäßigen Zähne, knirschend vor Wut, blitzten im Schein der Taschenlampe auf.
»Lass uns gehen«, sagte ich skeptisch. »Ich finde es überhaupt nicht gemütlich hier, Emerson.«
»Eine deiner berühmten Vorahnungen?« Er schmunzelte, schien aber ebenfalls gewisse Skrupel zu haben, denn er setzte hinzu: »Ich gehe vor.«
Er wartete in dem Schacht, unterdes kroch ich durch den Stollen.
Die Leiter war nicht mehr da.
Bevor ich einschreiten konnte, griff Emerson nach oben und umklammerte den Rand des Schachts mit beiden Händen. Die Muskulatur seiner entblößten Oberarme angespannt, versuchte er sich hochzuziehen. »Pass auf!«, kreischte ich, Sekundenbruchteile zu spät.
Der schwere Stock prallte auf Emersons Arm, worauf er losließ und stürzte. Ich hatte das Knacken in seinem Armknochen gehört.
Leicht entnervt zog ich meine Pistole und schoss zweimal. Die Kugeln pfiffen um das Gestein. Die einzige Reaktion war ein Lachen. Ich hatte dieses
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