Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
erforderlich. Bitte reagieren Sie umgehend.
»Smith«, stieß Emerson zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Nein. Cartright. Du erinnerst dich an –«
»Mit seinem Besuch wollte er lediglich vorfühlen«, meinte ich. »Kann mir allerdings nicht vorstellen, was ihm das gebracht haben soll.«
»Wirst du ihm antworten?«, wollte Nefret wissen.
»Natürlich, schon aus reiner Höflichkeit.« Er bewaffnete sich mit Papier und Stift. Nefret, die ihm über die Schulter spähte, las den Text, während er schrieb. Tut mir Leid, bin nicht abkömmlich. Werde hier gebraucht.
»Ah«, sagte Emerson.
»Ich danke dir, mein Schatz«, murmelte Nefret.
»Wofür? Ich kann Luxor doch nicht verlassen, solange Jamil frei herumläuft?« Seine Stimmlage veränderte sich, als er fortfuhr, klang er exakt wie sein Vater. »Und ich springe nicht gleich, wenn einer wie Cartright die Peitsche knallen lässt.«
»Ich werde Ali umgehend zum Telegrafenamt schicken«, sagte Nefret. Mit spitzen Fingern fasste sie den Papierbogen, zögerte kurz, dann nahm sie den Stift und strich etwas durch.
Ramses lachte. »Stimmt genau. Es tut mir überhaupt nicht Leid.«
Der folgende Tag wartete mit einer Entdeckung auf, die uns eine ganze Weile intensiv beschäftigte – ein Mumienversteck, einige noch in ihren ursprünglichen Holzsärgen. Zu Cyrus’ Ärger fanden wir sie nicht in einem Grabmal, sondern in dem Keller von einem der Häuser.
Das in den Fels gehauene Gewölbe, das als Vorratslager gedient hatte, war gerade so weit vergrößert worden, dass die sterblichen Überreste Platz fanden. Sie lagen so dicht an dicht, dass es unmöglich war, die kleine Kammer zu betreten. Auf den Stufen hockend, ließ Emerson langsam seine Taschenlampe über dem Fund kreisen. Allmählich wurden die Details in der Dunkelheit sichtbar: das Antlitz einer Frau, gekrönt mit einem bemalten Diadem; die farbenprächtige Gestalt einer falkenköpfigen Gottheit; eine Mumie ohne Sarg, dafür aber kunstvoll bandagiert.
»Römisch«, entschied Emerson.
»Woher wissen Sie das?«, erkundigte sich Cyrus vom Treppenabsatz aus. »Lassen Sie mich mal sehen.«
Emerson und ich gingen die Stufen hinauf und überließen Cyrus die Taschenlampe. »Die kartonierten Gesichtsmasken stammen zweifellos aus dem ersten Jahrhundert«, sagte Emerson. Seine Begeisterung hatte sich verflüchtigt, sobald er das erkannte, denn er interessiert sich nicht für das griechische und römische Ägypten. »Kann den Zeitabschnitt erst präzisieren, wenn wir uns die Sache genauer angesehen haben. Kommen Sie rauf, Vandergelt, wir müssen sie wegschaffen. Die hiesigen Diebe werden die Särge und Mumien in ihre Bestandteile zerlegen, wenn wir sie nicht sicherstellen.«
Cyrus stapfte die grob behauenen Stufen hoch und reichte die Taschenlampe an Ramses weiter. »Sehr schöne Särge«, sagte er nicht ohne einen gewissen Neid. »Und in gutem Zustand. Vielleicht gibt es dahinter noch mehr zu …«
»Ich konnte nichts ausmachen.« Ramses kehrte zu uns zurück. »Sie stammen definitiv aus der Römerzeit oder von den späten Ptolemäern. Die Kernfrage lautet allerdings, wieso sie hier sind. Die Siedlung wurde nach der 21. Dynastie aufgegeben, als die Bedingungen kritischer wurden und die Bewohner die größere Sicherheit von Medinet Habu vorzogen, mit seinen Befestigungsmauern. Diese Entdeckung zwingt uns vielleicht sogar zu einer Revision unserer Hypothesen hinsichtlich –«
»Ganz recht«, sagte sein Vater trocken. Ramses hatte seine früheren langatmigen Monologe nahezu aufgegeben, doch der archäologische Enthusiasmus inspirierte ihn zu einem Vortrag. »Äh – wir werden die historischen Implikationen ein anderes Mal diskutieren, mein Junge. Im Moment müssen wir uns auf das etwas heikle Problem der Exkavation konzentrieren. Was schlägst du vor, wie wir vorgehen sollen?«
Ich gesellte mich zu Cyrus. »Es sind nur römische Mumien, Cyrus«, versuchte ich ihn zu trösten. »Noch dazu von Normalsterblichen.«
»Eine römische Mumie ist besser als gar keine«, maulte Cyrus. »Ich schwöre Ihnen, Amelia, ich habe das Gefühl, unter irgendeinem Bannfluch zu stehen. Ihr wart so freundlich, mir die Grabstätten zu überlassen, und wo finden wir die ersten Särge? In dem Dorf! Solange Emerson mich nicht braucht, bin ich oben auf meinem Hügel.«
Mit gemischten Gefühlen beobachtete ich, wie er, Geröll vor sich hertretend, davonstapfte. Man konnte nur hoffen, dass er sich in seiner Frustration nicht zu
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