Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
Pluderhose, mit einer langen Weste darüber; dem folgten Kaftan und Tob – ein Gesichtsschleier, der fast bis zu den Füßen reicht – gekrönt von einer riesigen Habara aus schwarzer Seide, die Haupt und Hände wie überhaupt alles verbirgt. Emerson und Selim starrten Nefret an, als diese das Tuch abband, das ihren Kopf bedeckt hatte – ich hatte ihr das Haar im Hotel gefärbt, und sie sah völlig verändert aus. »Warum hast du das gemacht?«, wollte Emerson wissen. »Sie trägt ihre Haare doch bedeckt.«
»Aber nicht vor den anderen Frauen in dem fraglichen Haushalt«, erwiderte ich, braune Farbe auf Nefrets glatte Wangen auftragend. »Und man muss immer auf den Ernstfall vorbereitet sein. Das rotgoldene Haar ist einfach zu auffällig.«
Selim nickte und grinste. Er fühlte sich geschmeichelt von Emersons Vertrauen und freute sich wie ein Kind auf unser Abenteuer. Er wusste weder von Ramses’ Mission noch von unseren wahren Motiven. Doch das spielte keine Rolle. Er hatte vollstes Vertrauen zu Emerson und – ich glaube, das sagen zu dürfen – zu mir und fühlte sich fast wie ein Verschwörer.
Ich kann diese Reise am ehesten mit den Worten umschreiben, dass ein Kamelritt womöglich schlimmer gewesen wäre. Ohne Selims Erfahrung und Emersons eisernen Willen hätten wir es nie geschafft. Der erste Teil war nicht ganz so beschwerlich, denn das Ingenieurskorps hatte die Landstraßen von Kairo zum Kanal ausgebessert. Wir passierten ihn bei Kantara, über eine der Pontonbrücken, und dort mussten wir uns auch das erste und einzige Mal vor dem Militär ausweisen. Zwischen aufgetürmten Kistenstapeln hockend, in voluminöse Trachten gehüllt, die alles bis auf unsere Augen verbargen, warteten Nefret und ich gespannt, während Emerson Papiere hervorkramte und Selim reichte, der diese wiederum einem Offizier aushändigte. Den Blick stur nach vorn gerichtet, die Arme verschränkt, seine Miene finster, war Emerson ein Musterbeispiel gelangweilter Arroganz. Er bewegte sich keinen Zoll, selbst als der Offizier die Papiere zurückgab und salutierte.
»Wie hast du die denn organisiert?«, fragte ich, sotto voce.
»Das erkläre ich euch später«, knurrte Emerson, unterdes lenkte Selim das Fahrzeug über die holprige Brücke.
Die Nacht verbrachten wir in einer kleinen Oase unweit der Landstraße. Es war eine himmlische Wohltat, endlich die verkrampften Gliedmaßen auszustrecken und sich mehrerer Schichten Kleidung zu entledigen.
»Wir sind hervorragend in der Zeit«, verkündete Emerson, als Selim ein Lagerfeuer entfachte und Nefret und ich vor dem kleinen Zelt saßen. Bislang hatte ich nichts an Emersons Reisevorbereitungen zu bemängeln, allerdings war ich geneigt, Selim einiges davon zuzuschreiben. Niemals hätte Emerson an ein Zelt gedacht! In dessen Schutz und etwas entfernt vom flackernden Feuerschein gönnten wir uns den Luxus, uns von Gesichtsschleier und Habara, Tob und Kaftan zu trennen. Die Luft kühlte nach Sonnenuntergang rapide ab in den Wüstengegenden.
Selim bestand darauf zu kochen, und während er mit Töpfen und Pfannen hantierte, reichte mir Emerson die Papiere, die er dem Offizier gezeigt hatte. Ich überflog sie mit unverhohlener Verblüffung. Kein Geringerer als der Hochkommissar, Sir Reginald Wingate, hatte sie unterzeichnet, sie lauteten auf den Namen des ehrenwerten Scheichs Ahmed Mohammed ibn Aziz.
»Woher hast du sie?«, forschte ich. »Doch nicht von Wingate?«
»Großer Gott, nein.« Emerson schickte sich an, im Gepäck herumzuwühlen. »Was hast du mit meiner Pfeife gemacht?«
»Nichts, ich wusste nicht einmal, dass du sie eingepackt hast«, versetzte ich. »Ist Meerschaum nicht mehr en vogue?«
»Zum Teufel damit«, fluchte Emerson, der Pfeife und Tabak gefunden hatte. »Was die Papiere angeht, wirst du nie erraten, wie ich sie bekommen habe.«
»Von einem Fälscher?«, erkundigte sich Nefret, die die Dokumente im flackernden Licht des Feuers überflog. »Ein überaus geschickter Fälscher. Schätze, du kennst etliche.«
Emerson stopfte seelenruhig seine Pfeife. »Alle, die ich kenne, sind auf Antiquitäten spezialisiert«, meinte er gedehnt. »Und da ich eine andere Art der Expertise brauchte, habe ich Ibrahim el-Gharbi einen Besuch abgestattet.«
»Dem Zuhälter?«, stöhnte ich. »Aber Emerson, du hast ihn einen –«
»Einen hinterhältigen Schacherer von Menschenfleisch genannt. Eine treffliche Umschreibung«, kicherte Emerson, Rauch ausblasend. »Laut Ramses ist el-Gharbi
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