Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
zwang uns das Auftauchen von Männern mit Fackeln, schleunigst das Weite zu suchen. Es war ziemlich aufregend. Zu guter Letzt jedoch hatten wir die offene Ebene erreicht. Der Mond schien hell auf Getreidefelder und Orangen- und Feigenbäume.
Das Mondlicht ist großartig für Liebespaare, aber verflucht hinderlich für Flüchtige. Wir blieben so gut wie eben möglich in Deckung, einmal zwang uns herannahender Hufschlag, in einem Abwassergraben Schutz zu suchen. Nachdem der kleine Tross vorübergaloppiert war, sagte ich zu Emerson: »Das waren unsere Jungs, Australier und Neuseeländer. Vielleicht hätten wir sie anhalten sollen.«
»Hast du unbedingt das Bedürfnis, General Chetwode die Ereignisse des heutigen Abends – und ihre Gegenwart – darzulegen?«, wollte Emerson wissen.
Es war eine rhetorische Frage, soll heißen, er erwartete keine Antwort.
Die Strecke war kürzer als zwei Meilen, aber ohne einen Führer hätte ich den Treffpunkt nie gefunden. Das kleine Dorf war seit Urzeiten verlassen, die meisten Häuser zu formlosen Geröllhaufen verfallen. Bei einem oder zweien standen noch die Wände und ein Teil des Dachs.
»Wir sind ein bisschen spät dran«, flüsterte ich. »Vielleicht ist er fort.«
»Wenn er nicht da ist, werde ich Gaza stürmen und ihn am Schlafittchen herauszerren«, knurrte Emerson.
Er war nicht da. Ramses, der das Haus vor unserem Betreten gründlich inspiziert hatte, wartete mit dieser Tatsache auf. »Es ist noch nicht so spät«, setzte er hinzu. »Lassen wir ihm noch Zeit.«
»Schätze, unter diesen Umständen können wir keine Pünktlichkeit erwarten«, räumte Emerson ein. »Dieser Ort ist zum Ausruhen so geeignet wie jeder andere; wir können es uns ebenso gut bequem machen. Was hast du in diesem Bündel, Peabody?«
»Nur das Nötigste, fürchte ich. Wasser natürlich, und mein Erste-Hilfe-Set. Hat einer von euch eine Verletzung, die behandelt werden muss?«
»Nichts Nennenswertes«, meinte Emerson. Er kicherte leise. »Diese verdammten Idioten versuchten mit Macht, das Tor zu erstürmen. Wir drängten sie zurück, sperrten das Tor zu und schoben einen Karren davor. Darauf zogen wir uns guten Mutes zurück. Selim wollte bleiben und weiter kämpfen, aber wir haben ihn mit uns gezerrt.«
»Es war ein guter Kampf«, meinte Selim versunken.
Er griff nach der Wasserflasche, die die Runde machte, und ich seufzte empört: »In Ordnung, Selim, zeig mir deine Hand. Warum hast du mir nicht gesagt, dass du verletzt bist?«
»Es ist nichts«, meinte Selim. »Das heilt wieder. Ich brauche nichts darauf.«
Er meinte ein Antiseptikum. Männer sind eigentümliche Geschöpfe; er hatte eine Schnittwunde am Handgelenk, die ordentlich geblutet hatte und wohl auch ziemlich schmerzte, dennoch musste ich beschwörend auf ihn einreden, bevor er zuließ, dass ich diese desinfizierte.
Es war erholsam, unsere müden Glieder auszustrecken. Esin schlief schon halb, sie streckte sich auf einem Fleckchen am Boden aus, das Selim fürsorglich von Kieseln freigekehrt hatte, und bettete ihren Kopf auf eines der Bündel. »Noch ein Keks gefällig?«, fragte ich in die Runde, eine Schachtel aus meinem Gepäck hervorzaubernd.
Emerson schmunzelte. »Was, keinen Whisky? Mein liebes Mädchen, ich muss doch sagen, ich hätte mehr von dir erwartet.« Wir saßen nebeneinander in einer dunklen Ecke, sodass er mir einen raschen Beweis seiner Zuneigung gab.
»Wie lange können wir bleiben, ohne entdeckt zu werden?«, erkundigte ich mich.
»Hier sind wir recht sicher«, erwiderte Ramses. »Die Einheimischen denken, dass dieser Ort heimgesucht wird.«
»Von dir?«, giggelte Nefret.
»Na ja, ich fördere die Idee. Ich frage mich …« Er ging in den dunkelsten Winkel der Ruine und hob ein paar Steine auf. Augenblicke später murmelte er: »Nein, sie ist nicht hier – die Pistole, die ich Chetwode weggenommen habe. Er muss sie auf dem Rückweg eingesammelt haben.«
»Schade«, sagte Emerson. »Mag sein, dass wir eine Waffe gebrauchen können, bevor die Nacht vorbei ist. Aber gut, wir schaffen es auch ohne.«
»Ja, Sir«, bekräftigte Ramses. Er ließ sich neben Nefret nieder. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter, und er nahm sie in seine Arme. »Schätzchen, warum legst du dich nicht hin und schläfst ein bisschen? Allmählich habe ich den Eindruck, dass er …«
Er stockte abrupt, horchte auf und legte einen Finger an seine Lippen. Ramses’ hervorragendes Gehör hatte Daoud irgendwann einmal zu dem
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