Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
mich aufgeweckt. Er hatte … Oh!«
Emerson hielt sie sanft zurück. »Nein, mein Kind, rühr es nicht an. Es ist krank oder verletzt oder …«
Sennia schmiegte sich an Emerson. Sie sah bezaubernd aus, ihr Haar vom Schlaf zerzaust, unter dem Saum ihres weißen Nachthemds lugten kleine braune Füße und Knöchel hervor. »Wenn es krank ist, wird Tante Nefret es wieder gesund machen.«
»Oh, Sennia …« Nefret betrachtete das reglose Wesen, zusammengerollt in Ramses’ Händen. »Ich werde es versuchen. Ich tue mein Bestes. Geh wieder schlafen, Schätzchen.«
»Ja, Tante Nefret. Horus, du bist ein guter Junge. Komm jetzt ins Bett, Tante Nefret wird sich um das Kätzchen kümmern.«
Horus erwog den Vorschlag. Mit einer Bewegung, die verdächtig nach einem zustimmenden Nicken aussah, sprang er auf und folgte Sennia hinaus.
»Oha«, seufzte ich. »Nefret, meinst du wirklich, du kannst … Was hat es denn?«
»Ich weiß es noch nicht.« Nefret zuckte hilflos die Schultern. »Aber ich muss es herausfinden, nicht wahr? Komm, wir nehmen es mit zu uns, Ramses.«
Wie nicht anders zu erwarten, saß Sennia am nächsten Morgen als Erste am Frühstückstisch. Gargery versuchte soeben, sie dazu zu bringen, ihren Porridge zu essen – keine leichte Aufgabe –, als wir ins Esszimmer kamen. Sie sprang auf und kam zu mir gelaufen. »Wie geht es dem Kätzchen? Wann darf ich es sehen?«
»Ich weiß nicht, Sennia. Ramses und Nefret sind noch nicht hier. Setz dich wieder hin und iss dein Frühstück. Wo ist Horus?«
»Unter ihrem Stuhl«, bemerkte Gargery grimmig. »Wie üblich, Madam, was war das mit dieser anderen Katze? Wir brauchen keine mehr. Wir brauchen nicht einmal diese da«, versetzte er mit einem vernichtenden Blick auf Horus.
»Es ist nur eine kleine Katze«, klärte Sennia ihn auf. »Sie ist krank, aber Tante Nefret macht sie wieder gesund.«
Ihr strahlendes, zuversichtliches Gesicht versetzte mir einen Stich. Was sie in ihrer kindlichen Naivität erwartete, war vielleicht unmöglich, selbst für Nefret. Emerson räusperte sich. »Äh – Sennia, die Katze war – äh – sehr krank. Mag sein, dass sie nicht …«
»Da sind sie!« Wieder sprang Sennia auf und stürmte zu ihnen. Ungestüm schlang sie ihre Arme um Nefrets Taille. »Wieso hast du das Kätzchen nicht mitgebracht, Tante Nefret?«
»Es braucht Ruhe«, japste Nefret. »Aber es geht ihm schon viel besser.«
Emersons Miene spiegelte Erleichterung. Er ist derart sentimental bei Kindern, dass er es nicht ertrug, Sennia enttäuscht zu sehen. Er äußerte nicht einmal Einwände, als sich die gesamte Unterhaltung nur noch um die Katze drehte, denn Sennia redete von nichts anderem. Sie verlangte eine genaue Diagnose.
»Unterernährung und Austrocknung«, erklärte Nefret. »Mit den begleitenden Infektionen. Das kleine Geschöpf hat jedoch einen starken Lebenswillen. Als Erstes stakste es zu dem von uns hingestellten Futter und verschlang es. Dann versuchte es, an Ramses’ Bein hochzuklettern.«
Sennia lachte. »Hat es dich gekratzt, Ramses?«
»Nicht besonders. Seine Krallen sind nicht länger als deine Wimpern.«
»Es hält Ramses für seine Mutter«, meinte Nefret. Sennia giggelte, und Nefret versetzte: »Er hat es fast die ganze Nacht auf dem Schoß gehalten.«
»Es brauchte Wärme«, murmelte Ramses verschämt. »Und es wollte nicht in seinem Korb bleiben.«
»Ich werde es mir jetzt anschauen«, tönte Sennia. »Du möchtest es doch auch sehen, oder, Gargery?«
Gargery sann fieberhaft auf eine Ausrede, ohne dass er damit das Kind enttäuschte. Vergebens. »Ja«, seufzte er resigniert.
Das Kätzchen erfüllte einen sinnvollen Zweck. Ich wollte Sennia am ersten Tag unserer Exkavation nicht mitnehmen, und sie hätte vor lauter Langeweile darauf beharrt mitzukommen. Nefret bot an, ihr nach der Visite des Patienten die erste Biologiestunde zu geben, und Sennia versprach, das Kätzchen für den Rest des Tages in Ruhe zu lassen. Ein Rekonvaleszent erholt sich nicht besonders, wenn ein quirliges kleines Mädchen ihn dauernd herumträgt, mag das Kind es auch noch so gut meinen, überdies ging ich davon aus, dass das Tier nicht stubenrein war.
Natürlich blieb Ramses bei ihnen, und Sennia erklärte sich gnädigerweise einverstanden, Jumana an ihrem Biologieunterricht teilhaben zu lassen. Sie sollten die Pferde mitbringen und uns später in Deir el-Medina treffen, wo Selim und Daoud bereits auf uns warteten, gemeinsam mit den von ihnen angeheuerten
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