Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
Damengarderobe widerspiegelte. Ihr Leinenjackett hatte den modischen Militärschnitt und ihre Röcke waren wadenlang. Ihr Haupt war derart von Schleiern verhüllt, dass ihre Gesichtszüge nur schemenhaft erkennbar waren. Sie saß seitwärts auf dem Esel, ihre hübschen Stiefelchen baumelten herunter. Eine echte Dame würde freilich eher stürzen als im Damensitz zu reiten. Vermutlich erforderte es zwei Treiber, um sie im Sattel zu halten, selbiges galt für Mr Albion, der von einer Seite auf die andere schwankte, worauf die Treiber ihn jedes Mal im Sattel zurechtrückten. Das schien ihm großes Vergnügen zu bereiten; sein Gesicht war puterrot vor Hitze und Lachen, als die kleine Karawane anhielt. Der Teint des jüngeren Mannes war ebenfalls gerötet, allerdings von einem Sonnenbrand. Er lüftete seinen Hut und betrachtete mich neugierigdistanziert.
Emerson wäre nicht Emerson, wenn er nicht zuerst die Ägypter begrüßt hätte. »Salam aleikum, Ali, Mahmud, Hassan … Guten Morgen, äh-hm –«
»Albion«, half ihm besagter Gentleman, während sein Sohn uns aufmerksam beäugte. »Wir haben uns auf dem Dampfer kennen gelernt.«
»Nein, das haben wir nicht«, erwiderte Emerson.
Albion hüstelte. Sein Gesicht nahm einen noch tieferen Rotton an. »Aber nicht durch mein Verschulden. Habe auch versucht, Sie in Kairo zu kontaktieren, leider erfolglos. Dachte mir, wir würden früher oder später ohnedies aufeinander treffen. Wie geht es Ihrer Familie?«
»Sehr gut«, schaltete ich mich ein. »Danke der Nachfrage. Wohin wollen Sie heute Morgen?«
»Nur ein kleiner Ausritt«, entgegnete Mr Albion. Er nahm ein großes weißes Taschentuch und wischte damit über sein Gesicht. »Sagen Sie mal, könnten Sie uns nicht mit ein paar Grabräubern bekannt machen?«
Emerson war langsam zurückgewichen. Diese denkwürdige Bitte ließ ihn abrupt verharren. »Was haben Sie eben gesagt?«
»Nun, wir sind Sammler«, sagte Albion ruhig. »Besonders mein Sebastian hier. Er ist verrückt nach dem alten Ägypten.«
Wenn ich die Bedeutung dieses Adjektivs richtig verstand, so passte sie beileibe nicht auf den jungen Mr Albion. Er sah nicht aus wie ein Mann, der »verrückt« nach irgendetwas sein könnte. Seine stechenden Augen waren weit auseinander stehend und frostig wie mit einer Eisschicht bedecktes Wasser, und eine solche Farbe hatten sie auch.
»Ja, Sir«, fuhr sein Vater unbekümmert fort. »Wir sammeln schon eine ganze Weile. Deshalb sind wir diesen Winter hergekommen, wir suchen noch ein paar schöne Stücke.«
Emerson starrte ihn an, seine Verblüffung inzwischen von Erheiterung überlagert. Ich fürchtete, dass ebendiese alsbald von Verärgerung verdrängt würde, wenn er – genau wie ich – begriff, dass Albion es absolut ernst meinte.
»Die gebräuchliche Methode, Antiquitäten zu sammeln«, sagte ich leicht sarkastisch, »ist die, dass man von Händlern kauft. Mohassib in Luxor –«
»Da war ich bereits«, sagte Albion. »Tschuldigung, dass ich Sie unterbreche, Ma’am, aber ich wollte Ihre Zeit nicht unnötig strapazieren.«
»Vielen Dank«, erwiderte ich süffisant.
»Keine Ursache, Ma’am. Also, Mohassib hat ein paar schöne Sachen, aber er hat sich vor mir als Händler aufgespielt und versucht, den Preis in die Höhe zu treiben. Meines Erachtens ist es am besten, direkt an die Leute heranzutreten, von denen er das Zeug hat. Und den Zwischenhandel zu umgehen, was?«
Nachdenklich blickte ich zu Mrs Albion, ob sie vielleicht empört wäre über die unverfrorene Argumentation ihres Gatten. Sie hatte ihre Schleier gelüftet. Es bestand kein Zweifel daran, wem ihr Sohn ähnlicher war. Sie hatte das gleiche lange Gesicht, die dünnen Lippen und die blassgrauen Augen. Sie waren mit einem Ausdruck tiefer Bewunderung auf Mr Albion fixiert.
»Also?«, sagte Mr Albion hoffnungsvoll. »Sie würden natürlich Ihren Anteil bekommen.«
»Wir sind keine Hehler«, wandte Emerson ein. »Und ich muss Sie warnen, Mr Albion. Was Sie mir vorschlagen – ohne jeden Hintergedanken, nehme ich an –, ist nicht nur ungesetzlich, sondern auch gefährlich.«
»Gefährlich?« Mrs Albions Blick schweifte zu Emerson. Ihre Lippen wurden schmal, ihr Blick frostig »Welche Gefahr könnte uns schon drohen? Wir sind amerikanische Staatsbürger.«
»Die Gefahr«, entgegnete Emerson, »bin ich. Wenn Sie noch nicht genug über mich erfahren haben, um den Sinn meiner Worte zu verstehen, dann fragen Sie mal Ihre Führer. Lass uns gehen,
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