Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
würdest, und ihn zu überzeugen versucht, dass er sich stellen soll. Und jetzt hast du dich aus freien Stücken zu deinem Tun bekannt.«
»Sofern sie uns alles gebeichtet hat«, versetzte ich, denn Jumana hatte sein Lob mit einem selbstgefälligen Lächeln erwidert. Die Jugend ist eben unbekümmert, was nur gut ist, wäre es doch reine Zeitverschwendung, sich über vergangene Fehler den Kopf zu zerbrechen; andererseits wollte ich das Mädchen nicht so leicht davonkommen lassen. »Wir sind bereit, dir eine zweite Chance zu geben, Jumana, aber wenn ich erfahren sollte, dass du uns noch irgendetwas verheimlicht hast –«
»Nein. Nein, ich schwöre es!«
»Dann hat er also noch ein weiteres Grab entdeckt?«, sinnierte Emerson. »Talentiertes Bürschchen.«
Ich maß Emerson vorwurfsvoll, da er sich viel zu schnell von archäologischen Spekulationen ablenken lässt, und fuhr mit meiner Befragung des Mädchens fort. »Wie hat er sich mit dir in Verbindung gesetzt?«
»Ich habe eine Nachricht bekommen – nur ein Fetzen Papier, mit ein paar hingekritzelten Wörtern –, gestern, als wir in Gurneh waren. Von Mohammed Hammad.«
Wortreich fluchend stimmte Emerson zu, dass wir auf dem Weg zu unserem Exkavationsgelände einen Zwischenstopp in Gurneh einlegen und Mohammed Hammad auf den Zahn fühlen müssten. Im Dorf herrschte rege Betriebsamkeit und man begrüßte uns freundlich. Indes, als wir nach Mohammed Hammad fragten, stellten wir fest, dass der Vogel ausgeflogen war. Seine Frau – seine ältere Frau – sagte, er habe in Koptos zu tun. Sein Sohn beteuerte, er sei in Kairo. Einer seiner Freunde war aufrichtiger. »Er ist geflüchtet, Vater der Flüche, als er von Abdul Hassans Tod erfahren hat.« Mit einem gewissen Bedauern setzte er hinzu: »Ich war nicht dabei, als sie das Grab plünderten.«
»Dafür solltest du Allah danken«, erwiderte Emerson.
»Und besser auf seine Gebote achten. Du siehst, wie er Missetäter bestraft.«
»Im Koran steht nichts über Grabraub, Vater der Flüche.«
In Emersons grimmiges Mienenspiel schlich sich Neugier. Er liebt nichts mehr, als über religiöse Fragen zu streiten. Aber bevor er auf dieses Thema umschwenken konnte, schaltete ich mich ein. »Hat Mohammed gesagt, wovor er Angst hat?«, erkundigte ich mich.
Der Bursche zögerte, sein Blick auf Emersons Hand fixiert, die in seine Jackentasche gewandert war. Er wusste, er würde mehr Bakschisch herausholen können, wenn er einen Namen nannte; er wusste auch, dass er mit einer Lüge den Zorn des Vaters der Flüche heraufbeschwören würde.
»Er musste nichts sagen. Ein Tod mag ein Unfall sein, aber zwei sind eine Warnung. Jamil hatte ihnen gedroht, und sie lachten nur.« Schulterzuckend hielt er seine Hände weit auf. »Inzwischen ist ihnen das Lachen vergangen.«
»Hmmm«, brummte Emerson. »Es gibt eine Belohnung für den Mann, der uns sagen kann, wo der Junge sich versteckt hält.«
»Eine hohe Belohnung?« Der Bursche dachte nach und zuckte wieder die Schultern. »Ein Toter kann mit Geld nichts mehr anfangen, Vater der Flüche.«
»Er ist ein richtiger Philosoph, was?«, bemerkte Emerson auf Englisch. Er ließ einige weitere Münzen in die ledrig braune Handfläche gleiten und wandte sich ab.
Das Gespräch hatte auf der Straße stattgefunden, wenn man sie so nennen wollte; anders als das antike Arbeiterdorf mit seiner planmäßig angelegten Bebauung lagen die Häuser des neueren Gurneh überall verstreut – am Berghang, rings um die Gräber der Adligen des Alten Reiches.
Einige der weniger bedeutenden Gräber ohne Inschriften waren bewohnt; der jeweilige Säulenhof, wo den geschätzten Verblichenen geopfert worden war, diente inzwischen schnöde als Stall für die Reittiere der Grabbewohner. Vor vielen dieser Grabhöhlen standen zylindrische Ziegelgebilde wie überdimensionale Pilze, mit den Rändern nach oben. Sie dienten als Getreidespeicher und als Schlafquartiere. Die Mulde am oberen Ende ist sicher vor Skorpionen, und die an Eierbecher erinnernden Ausbuchtungen an diesen Stelen halten Wasserkrüge – eine interessante und ungewöhnliche Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten, die ich zur Erbauung der werten Leserschaft erwähne.
Nachdem er ein paar Schritte gegangen war, blieb Emerson abrupt stehen. »Mohammed kann die Nachricht nicht direkt von Jamil bekommen haben.«
Ich hätte ihm – so wie er mir des Öfteren – vorwerfen können, dass er voreilige Schlüsse zog, aber in diesem Fall musste ich ihm
Weitere Kostenlose Bücher