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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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trockenes Klima. Der Schatten des kleinen Grabmonuments war eine Wohltat nach unserem Ritt durch glühenden Wüstensand. Cyrus steckte dem dienstbeflissenen Abdulrassah ein Bakschisch zu, setzte sich, fächelte sich mit dem Tropenhelm Luft zu und wandte höflich den Blick ab, als ich das Grabmal betrat.
    Ich kniete mich nicht hin oder betete laut. An das Mauerwerk gelehnt, schloss ich die Augen und dachte an Abdullah. Ich weiß nicht, was ich erwartete. Wenn ich wach war, begegnete er mir nie, und ich durfte gewiss nicht annehmen, dass er jetzt auf meine stumme Bitte reagierte. Offen gestanden war es weniger eine Bitte als vielmehr eine aufgebrachte Forderung. Was nützte es, einen Informanten »auf der anderen Seite« zu haben, wenn dieser mich nicht informieren wollte oder konnte?
    Hinter meinen geschlossenen Lidern flirrten winzige Farbtupfer, Spiralen und Lichtpunkte. Die Geräusche intensivierten sich; das Schlurfen von Abdulrassahs Sandalen, das Rascheln des Reisigbesens, der Flügelschlag der Vögel unter der Kuppel, entfernte Stimmen …
    Eine Hand berührte meine Schulter. Ich öffnete die Augen und gewahrte Cyrus’ Gesicht dicht an meinem. »Sie zittern ja!«, sagte er. »Was hatten Sie vor, sich in einen Trancezustand hineinzusteigern?«
    »Das bringt nichts«, erwiderte ich. »Und ich bin auch kein Medium, wenn Sie das meinen.«
    »Aber Sie glauben an Ihre Träume.« Er bot mir seinen Arm. Abdulrassah stellte seinen Besen an die Wand und setzte sich demonstrativ neben seine »Opferschale«. Ich warf ein paar Münzen hinein und beantwortete Cyrus’ unterschwellige Frage.
    »Glauben ist nicht ganz zutreffend. Ich akzeptiere sie. Vermutlich sind Sie ein Skeptiker.«
    »Keine Ahnung.« Cyrus half mir beim Aufsitzen. »Ich habe in meinem Leben viel Ungewöhnliches erlebt, und den guten alten Abdullah hätte ich zu gern noch einmal wieder gesehen. Hatten Sie das Glück?«
    »Ich habe ihn nicht gesehen, wenn Sie das meinen. Ich dachte nur … ich mag mich täuschen, aber ich dachte, ich hätte seine Stimme gehört. ›Du stehst am Anfang, Sitt. Und jetzt geh weiter und pass auf, wo du hintrittst.‹«
    »Was hat das zu bedeuten?«, forschte Cyrus.
    »Wenn ich das wüsste, Cyrus.«

    Wir hatten den festen Vorsatz gefasst, uns zur Teezeit völlig unauffällig zu verhalten, wegen der Kinder, doch das sollte nicht ganz gelingen. Das Pflaster an Davids Braue war nicht zu übersehen. Die anderen Kinder glaubten ihm, als er von einem kleinen Missgeschick berichtete, doch Dolly presste feuchte Küsse auf seine Nase und Brauen und Ohren, bis ich die Kleinen schließlich mit Bergen von Keksen in ihren eingefriedeten Bereich lockte. (Schlimme Zeiten rechtfertigen schlimme Mittel.) Wir hatten uns gerade häuslich niedergelassen, als Sethos erschien. Er hatte wohl in Luxor gespeist, denn er war ziemlich geckenhaft gekleidet in grünen Tweed, mit einer Regimentskrawatte, wie sie ihm gewiss nicht zustand. Bart und Haare waren mittlerweile eisengrau, sein markantes Gesicht hatte wieder die normalen Proportionen angenommen. Der einzige Makel war ein bitterböser Blick, so einschüchternd wie Emersons.
    »Guten Tag«, sagte ich und winkte ihn zu uns.
    Statt einer Antwort fixierte er David. »Was zum Teufel hast du dir dabei eigentlich gedacht?«, wetterte er.
    »Du hast davon erfahren?«, forschte David matt.
    »Aber natürlich. Ganz Luxor weiß davon, und spätestens morgen wird es in Kairo die Runde machen, dass du heute einen Aufstand angezettelt hast. Du verrückter Hitzkopf …«
    »Bitte!«, rief ich. »Die Kinder!«
    »Er hat keinen Aufstand angezettelt, er hat ihn verhindert.« Ungerührt erwiderte Ramses den vernichtenden Blick seines Gegenübers. »Ringsum waren englische Soldaten. Sie haben alles mitbekommen.«
    »Sie haben mitbekommen, wie ein ›Einheimischer‹ Arabisch sprach.« Sethos rang die Hände. »Sie haben nicht ein Wort verstanden. Und sie werden nicht glauben, was die Ägypter ihnen erzählen. Er stand bereits unter Verdacht …«
    »Er hat versucht, Menschenleben zu retten«, unterbrach Lia ihn. Sie saß kerzengerade auf ihrem Stuhl, ihre Wangen rot vor Empörung.
    »Interessiert mich nicht, was er versucht hat. Ich habe mein Mögliches getan, jedes Verdachtsmoment zu zerstreuen, aber wenn er weiterhin seine Nase in …«
    Mehrere Personen fielen ihm aufgebracht ins Wort. Emerson war am stimmgewaltigsten. Ich schmunzelte stillvergnügt. Nur selten hatte ich Sethos so wütend erlebt. Seine Besorgnis war

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