Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms
es ihnen zu, bei ihren Eltern zu sein. Sethos und Maryam fehlten als Einzige.
Ein paar von uns hatten Whisky-Soda dem Tee vorgezogen.
»Kommt, wir trinken auf einen weiteren grandiosen Erfolg.« Ich hob mein Glas.
»Ich bin mir nicht sicher, wie viele solcher grandiosen Erfolge wir noch verkraften können, Peabody«, seufzte Emerson, nervös auf seinem Stuhl herumrutschend. »Ich muss zugeben, ich bin ein bisschen erschöpft, und Sethos und Bertie hatten …«
»Verdammtes Glück«, versetzte Bertie breit grinsend. Der Junge war dermaßen zufrieden mit sich, dass er es tatsächlich wagte, Emerson zu unterbrechen. »Meine Verletzung war nur ein Kratzer, nichts Dramatisches, und Nefret meint, dass Sethos in ein paar Tagen wieder gesund sein wird. Ich hätte das alles um nichts in der Welt verpassen mögen.«
»Es hatte einen gewissen Nervenkitzel, nicht?« Ich erwiderte sein Grinsen. »Ich wollte schon immer mal den Satz hören ›Sie – oder fallweise er – hat die Zündschnur angesteckt‹.«
»Und du konntest der Augenklappe einfach nicht widerstehen, was?« Emersons Lippen zuckten belustigt.
»Mein heimlicher Wunschtraum ist es, ein Piratenschiff zu erobern«, gestand ich.
»Schade, dass du kein Messer zwischen die Zähne nehmen wolltest«, foppte mich mein Sohn.
»Na ja, man kann nicht alles haben. Davy, bist du fertig mit Küssen? Danke, mein Junge. Jetzt geh und mal Bilder mit Evvie und Charla. Ich glaube, sie streiten sich um den dunkelroten Buntstift.«
»Gütiger Himmel, Amelia, nun berichten Sie doch endlich«, drängte Katherine. »Cyrus und Bertie haben sich geweigert, darüber zu sprechen, sie wollten Ihnen nichts vorwegnehmen.«
»Wir warten nur noch auf Sethos und Maryam«, erklärte ich.
Sethos gesellte sich ohne Maryam zu uns. »Ich habe sie überredet, ein bisschen auszuruhen«, murmelte er. Nach einem Blick in die Runde lächelte er verhalten. »Ihr fehlt noch das Durchhaltevermögen der anderen Familienmitglieder.«
»Vielleicht ist es besser so«, erwog ich. »Setz dich und leg dein Bein hoch. Emerson, kannst du … oh, danke, Walter.«
Er hatte seinem Halbbruder bereits ein Glas in die Hand gedrückt.
»Wir warten, Amelia«, drängte Evelyn.
»Wo soll ich anfangen?« Ich nahm einen weiteren Schluck. »Die Geschichte ist ziemlich kompliziert.«
»Wie die meisten«, konterte Cyrus.
»Sie haben vermutlich Recht. Vielleicht sollte ich zunächst anhand meiner Liste ›Außergewöhnliche Vorfälle‹ – ich hab sie zufällig bei mir – erklären, wie jeder einzelne Punkt letztendlich in das Raster passt, mit dem unsere Widersacher uns von ihrem eigentlichen Motiv ablenken wollten.«
»Ich denke, das haben wir bereits diskutiert, Mutter«, sagte Nefret. Die anderen nickten bekräftigend.
»Oh«, sagte ich. »Auch Justins Maskerade als Hathor? Der zweite Auftritt sollte Maryam von jedem Verdacht befreien, und das war geschickt inszeniert. Justin trug ihre Jungensachen unter der ausladenden Robe; sie musste nur rasch herausschlüpfen, währenddessen lenkten Maryam und Konsorten euch vier ab. Der Stofffetzen, den Emerson gefunden hat …«
»Wurde absichtlich so präpariert«, unterbrach Ramses. »Entschuldigung, Mutter, aber auch das haben wir ausdiskutiert.«
»Oh. Hmmm. Der Plan nahm Gestalt an, als Matilda von dem Prinzessinnen-Schatz erfuhr. Seinerzeit führte sie ein Haus für – ähm – in Kairo und war in weitere illegale Aktivitäten verstrickt. Es war Matilda, die Maryam vor Jahren Lügen über ihre Mutter auftischte und ihr riet auszureißen. Maryam war jung und aufsässig – wie viele Heranwachsende –, und es faszinierte sie, eine Schwester und eine mütterliche Beschützerin zu haben. Matilda arrangierte Maryams Hochzeit mit einem wohlhabenden Mann – und sorgte vermutlich auch für dessen Ableben, sobald der bedauernswerte Mr. Throgmorton ein Testament gemacht hatte, worin er Maryam alles vererbte. Ich bin sicher, Maryam hatte mit seinem Tod nichts zu tun.«
»Er war gut zu ihr«, räumte Sethos ein. »Sie mochte ihn sehr gern. Erst einige Zeit nach seinem Tod, als sie zu Matilda zurückgekehrt war, argwöhnte sie dahinter üble Machenschaften.«
»Was ich nicht verstehe«, begann Cyrus, »ist, wie sie sich das mit dem Entladen der Artefakte vorstellten. Sie wären doch niemals unbehelligt nach Kairo durchgekommen.«
Alle Augen – selbst die Emersons – waren auf Walter gerichtet. Ein bescheidenes, aber auch ein wenig stolzes Lächeln erhellte sein
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