Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms
Ihnen.«
Nicht die Spur verunsichert, dass ihn alle anstarrten, setzte er sich entspannt in einen Sessel. Aha, dachte ich, der werte Herr geruht zu bleiben. Uns von Sethos zu berichten, war nicht der einzige Beweggrund für sein Kommen gewesen.
»Möchten Sie zum Tee bleiben, Mr. Smith?«, warf ich ein.
»Danke, gern, Mrs. Emerson.«
Sein Lächeln war genauso falsch wie meins. »Ich werde nachsehen, wo die anderen bleiben«, murmelte ich, zur Tür strebend.
Emerson folgte mir. »Peabody!« Sein Versuch zu flüstern dröhnte mir in den Ohren. »Hast du den Verstand verloren? Dieser Mistkerl wäre nicht so stinkfreundlich, wenn er nicht irgendwas von uns wollte. Wenn er denkt, er kann Ramses für eine weitere Mission anwerben …«
»Pssst.« Ich zog ihn ins Haus. »Der Krieg ist vorbei, Emerson.«
»Trotzdem mischt Sethos weiterhin mit. Weiß der Himmel, was er so treibt. Wenn mein Bruder«, Emerson rollte heftig die Rs, »sich wieder in die Katastrophe geritten hat, und Ramses soll ihn da rausholen …«
»Das würde er nicht tun.«
»Du verteidigst ihn ständig, diesen … diesen Mann!«, erhitzte sich Emerson. Trotz seiner enormen Wut versagte er sich den Begriff, mit dem er seinen illegitimen Bruder vorzugsweise umschrieb.
»Mutter.« Nefret zupfte mich am Ärmel. »Schick ihn weg.«
»Ich habe meine Gründe, warum Smith bleiben soll«, wandte ich ein. »Ich erkläre euch das später. Oh, da bist du, Fatima. Danke, dass du mit dem Tee gewartet hast; du kannst ihn jetzt servieren. Nefret, bitte sei so gut und hol Walter, Ramses und David. Und bring die Kinder mit. Alle Kinder.«
Smith’s Miene, als der Rest der Familie auf die Veranda strömte, erfüllte mich mit boshaftem Vergnügen. Die drei Jüngsten schossen umher wie Projektile, sprangen von einem Erwachsenen zum nächsten, umarmten und begrüßten uns mit ihren süßen, hohen, extrem schrillen Stimmchen. Schließlich standen sie in einer Reihe vor Smith, der so entsetzt dreinblickte, als umlagerten ihn Schakale.
»Wer bist du?«, fragte Evvie.
»Das ist Mr. Smith«, erklärte ich. »Sag schön guten Tag.«
Sie starrten ihn weiterhin ungerührt an.
»Hallo allerseits«, sagte Smith. Er wollte Evvie über den Kopf streichen.
»Ich verabscheue Leute, die das tun«, verkündete sie, seine Hand wegschiebend. »Davy auch. Und Charla beißt.«
»Also Kinder, das reicht jetzt.« Ramses nahm seine beiden. »Geht zu Mama. Lasst den Gentleman in Ruhe.«
»Was für reizende Kinder«, rang sich Smith mit einem gezwungenen Lächeln ab. »Ihre?«
»Zwei davon. Zufällig auch das Kind, welches beißt.«
»Das erstaunt mich nicht«, murmelte Smith. »Und das muss Mr. Todros sein. Ist mir ein Vergnügen, Sie endlich kennen zu lernen.«
David nickte wortlos, seine dunklen Augen kühl. Nefret musste ihn über den Besucher aufgeklärt haben.
»Und das ist mein Onkel, Mr. Walter Emerson. Ich würde Sie formell miteinander bekannt machen, wenn ich wüsste, welchen Namen Sie derzeit benutzen«, sagte Ramses.
Sein Gegenüber quittierte diesen Seitenhieb mit einem flüchtigen, schmallippigen Grinsen. »Smith muss genügen. Guten Tag, Mr. Emerson.«
»Und ich bin Sennia Emerson«, sagte ebendiese junge Person mit einem Knicks. »Sie haben schon von mir gehört, denke ich.«
»Ja … richtig – äh – wie geht es Ihnen?«
»Sehr gut, danke. Und Ihnen?«
»Setz dich, Sennia«, sagte Ramses mit einer gewissen Schärfe in der Stimme. »Ein Gentleman bleibt stehen, bis alle Damen Platz genommen haben.«
Das galt augenscheinlich Nefret, die die Zwillinge umklammert hielt wie Niobe, die ihre Kinder vor den tödlichen Pfeilen von Apollon und Artemis schützen will. Sie wurde rot und sank neben Lia auf das Sofa.
»Tee für alle?«, fragte ich in die Runde.
Ramses nahm mir die gefüllten Tassen ab. »Schätze, du hast einen Grund für das hier?«, meinte er tonlos.
»Ich habe immer mindestens einen Grund. Jetzt, wo die Kinder ihn merklich aus der Fassung gebracht haben, bekomme ich vielleicht ein paar brauchbare Antworten aus ihm raus.«
Nachdem alle mit dem göttlichen Getränk versorgt waren und Sennia die Gebäckschale herumreichte, räusperte ich mich. »Mr. Smith hat uns Nachricht von unserem Verwandten gebracht. Er war krank, ist aber auf dem Weg der Genesung.«
»Wieder ein Malariaschub?«, fragte Nefret, deren mütterlicher Beschützergeist beruflichem Interesse unterlag.
»Nein. Er hat sich diverse Verletzungen zugezogen. Nichts Ernstes.«
Walter
Weitere Kostenlose Bücher