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Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels

Titel: Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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nicht dort gelegen, sonst wären sie darüber gestolpert. Und es war auch kein Tier.
    Während er den Inhalt des Bündels inspizierte, wuchs seine Betroffenheit. Es war alles da. Wie sie ihm die Sachen so schnell hatten herbringen können, ohne entdeckt zu werden, war ihm ein Rätsel. Er trat hinter eine der Säulen, richtete das Fernglas auf das Tal und schwenkte langsam von einem Ende der Straße zum anderen. Das einzig Ungewöhnliche, das er bemerkte, waren die um den kleinen Isis-Tempel versammelten Soldatentrupps.
    Also hatte man Darias Verschwinden irgendwann am Morgen entdeckt, aber warum suchten sie nicht nach ihr? Er nahm das Bündel und trug es zu Daria. Sie tranken das mitgebrachte Wasser, aßen frisches Brot und Käse.
    Ramses fand, dass er die nächste Zeit keine Datteln mehr sehen konnte. Sie war wie ausgewechselt, ihr Blick sanft, ihr Lächeln zärtlich entrückt. Sie sprachen nicht über ihre Vergangenheit oder von einer gemeinsamen Zukunft, nur der Augenblick zählte. Es dunkelte bereits und die Sterne kamen heraus, und sie liebten sich, als wäre es das erste und zugleich letzte Mal. Nach kurzem Schlummer weckte er sie auf. Sie tastete verschlafen nach ihm und zog dann unschlüssig die Hand weg.
    »Müssen wir jetzt gehen?«
    »Ja, bald.«
    Schweigend zog sie sich an, streifte unter dem ärmellosen Gewand die Hose über. Als sie die dicken Strümpfe überziehen wollte, badete er zuerst ihre Füße und verband diese erneut. Keiner sagte ein Wort, bis sie aufstand und in die Schuhe schlüpfte.
    »Tun sie noch sehr weh?«, wollte er wissen. »Kannst du damit laufen?«
    »Ja.« Ihre Stimme klang sachlich gefasst. »Bist du so weit?«
    »Gleich.« Sorgfältig vernichtete er verräterische Spuren und packte sämtliche Reste wieder in das Bündel. Um die Krümel würden sich die Mäuse kümmern. Er schlüpfte in den Kapuzenumhang und half ihr in den leichten langärmeligen Überwurf, den seine Mutter eingepackt hatte. Seine Hände verharrten unschlüssig auf ihren Schultern, bis sie diese behutsam abschüttelte. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass sie das einzig Richtige tat.
    »Fertig«, sagte er. »Nimm meine Hand.«
    Er erleichterte ihr den Aufstieg, indem er ihr die steileren Böschungen hinaufhalf und sie häufig Rast machten. Als er sie irgendwann auf den Sims hob, zitterten ihr die Knie so stark, dass sie um ein Haar abgerutscht wäre. Er hielt sie weiterhin fest. »Setz dich, ruh dich aus. Hier bist du in Sicherheit und es ist genug Platz da für uns beide.«
    Nicht so viel, wie er gedacht hatte. Unter dem niedrigen Felsvorsprung warteten sie auf ihn.
    »Keine Angst, es sind Freunde«, sagte er hastig, als er Harsetefs hochgewachsene, schlaksige Gestalt entdeckte. Der andere Mann war noch hünenhafter. Er steuerte auf Ramses zu.
    »Willkommen«, murmelte er tief gerührt. »Herzlich willkommen! Damals wart Ihr noch ein Junge und jetzt seid Ihr ein Mann.«
    Er war wie ein gemeiner Soldat gekleidet, ohne Rangabzeichen, gleichwohl erkannte Ramses ihn auf Anhieb. »Tarek! Ihr hättet nicht herkommen dürfen, das ist viel zu riskant.«
    »Ihr habt größere Risiken auf Euch genommen, indem Ihr sie herbrachtet.« Er sank vor der zusammengekauerten Daria auf die Knie. »Meine geliebte kleine Schwester. Du bist zu mir zurückgekehrt.«
    »Das ist nicht Nefret«, sagte Ramses lauter als beabsichtigt. Tarek musste blind oder von allen guten Geistern verlassen sein, dass er die beiden verwechselte, auch wenn es dunkel war. Und er verhielt sich noch immer wie der romantische Held aus den altmodischen Liebesromanen, auf die er seinerzeit geradezu versessen gewesen war.
    Tarek streckte eine Hand aus und schob ihr eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn. »Nein«, murmelte er.
    »Ich konnte nicht zu Nefret vordringen. Es war unmöglich, sie wird streng bewacht. Das ist Daria. Sie –«
    »Ich weiß.« Tarek erhob sich. »Ich weiß um die Unannehmlichkeiten, die Ihr hattet.« Er seufzte schwer. »Es hätte mir auf Anhieb klar sein müssen. Nur ein Gott oder ein großer Zauberer vermag die Hohepriesterin zu entführen. Lasst uns jetzt aufbrechen, wir können ein anderes Mal reden. Meine Dame, ab jetzt geht es leichter. Wir drei assistieren Euch.« Er half Daria auf.
    Galant wie eh und je, überlegte Ramses. »Zwei«, berichtigte er.
    Daria verzog keine Miene. Sie hatte damit gerechnet. Auch Tarek zeigte nicht die Spur von Verblüffung. Stattdessen blitzten zwei Reihen perlweißer Zähne in dem dunklen Gesicht auf.

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