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Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels

Titel: Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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müssen, wurde ihm ganz anders. Seine Wangen brannten, als er das Buch wieder aufnahm, sich aber nicht darauf konzentrieren konnte. Sie sprach ein hervorragendes Englisch und war ungewöhnlich hübsch. Woher kam sie? Er mutmaßte einen europäischen oder persischen oder kaukasischen Einschlag. Und war die »wahre Geschichte« womöglich eine noch subtilere Lüge?
4. Kapitel
    Die Regierungsdampfer brauchen zwei Tage von Schellal bis Wadi Halfa. Wir brauchten vier. Allerdings bot die Strecke interessante Zerstreuung und der leichte Nordwind blies angenehm kühlend. Die Region hatte im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Bezeichnungen gehabt: das Land der Langbogen, Kusch, Nubien, der Sudan, um nur einige zu nennen. Nach dem Fall des frühen kuschitischen Königreichs Napata hatte die meroitische Zivilisation in Südnubien ihre Blütezeit. Ruinen sämtlicher Perioden gab es zuhauf, denn auf die Pharaonen im antiken Ägypten folgten die Könige von Napata und die Königinnen von Meroe sowie griechische und römische Invasoren; die Christen hatten ihre Kirchen und die Muslime ihre Moscheen errichtet. An Deck sitzend, inspizierten wir die Szenerie mit dem Feldstecher und Emerson knurrte defätistisch: »In einem Jahrhundert ist das alles verschwunden, Peabody. Diese Spinner in Assuan heben sukzessive den Wasserspiegel an.«
    Für weitere Zerstreuung sorgten auch die diversen Schiffsteile, die sich mit schöner Regelmäßigkeit lösten. Offenbar war das aber nichts Ungewöhnliches, denn die Crew schraubte und lötete diese (zumeist) unverdrossen wieder an. Einmal stoppte der Dampfer abrupt mitten im Fluss, und wenn Farah kein gekonntes Steuermanöver hingelegt hätte, wären wir auf Grund gelaufen, da die Motoren gerade repariert wurden. Der technikbegeisterte Selim half bei der Instandsetzung. Als er zurückkehrte, schüttelte er in einer Mischung aus Entsetzen und Bewunderung den Kopf. »Ich weiß nicht, wie die dieses Schiff flottgekriegt haben«, erklärte er. »Die Maschine ist eine einzige Rostlaube.«
    Trotz der alarmierenden Zustände ließen sich zwei Mitreisende niemals blicken. Nach Aussage unseres Kapitäns handelte es sich um zwei Missionare, die in den südlichen Sudan wollten. In den Passagierlisten waren die beiden wohlweislich nicht aufgeführt, da Gouverneur Wingate davon ausging, dass der Islam solche Bekehrer nicht unbedingt positiv aufnahm. Erst am letzten Tag, kurz vor Wadi Halfa, lernten wir die beiden kennen. Wie Kapitän Farah im Brustton der Überzeugung behauptete, hatten sie an einer Magenverstimmung gelitten.
    Diese Unpässlichkeit hatte sie allerdings nicht daran gehindert, ihrer Glaubensausübung nachzukommen. Die Trennwände zwischen den Kabinen waren dünn; Abend für Abend drangen Gebete und Lieder zu uns, bis Emerson irgendwann entnervt »Ruhe« brüllte. Sein lautes Organ wirkte Wunder.
    Inzwischen war meine Skepsis so groß, dass ich mich heimlich fragte, ob diese Personen auch wirklich das waren, wofür sie sich ausgaben. Sethos hatte einen eigenwilligen Humor – es hätte zu ihm gepasst, sich als ein Mann der Kirche zu tarnen. Als sie schließlich am letzten Morgen in die Messe kamen, fixierte ich die beiden unverfroren.
    Sie waren nicht verheiratet, sondern Bruder und Schwester – der Reverend und Miss Campbell. Die Dame war groß und schlank und für meinen Geschmack zu hübsch für eine Missionarin. Sie war einfach gekleidet und nicht geschminkt, was ihr apartes Gesicht und den hellen, von kastanienbraunem Haar umrahmten Teint zusätzlich betonte. Ihre Stimme war hell und angenehm, ihr Wesen freundlich und offen, ihr Lächeln sympathisch. Sie war bestimmt nicht Sethos.
    Ihr Bruder aber auch nicht, entschied ich. Anders als Miss Campbell war er hässlich, mit schmalen, hellen Brauen und einem dünnen Bärtchen. Die Brauen hätten gezupft und gebleicht sein können, die Nase das Resultat von Modelliermasse und Künstlerschminke, aber die ausgemergelte Wangenpartie, nur spärlich bedeckt von mäßigem Bartwuchs, und die eingesunkenen Schultern passten nicht zu dem Mann, dem ich so ziemlich jede Maskerade zugetraut hätte. Ich schätzte ihn um vieles älter als seine Schwester. Seine Stimme klang fast so hell wie ihre und beide waren völlig unmusikalisch.
    Zunächst war mir unbegreiflich, weswegen er ein junges Mädchen, das er augenscheinlich vergötterte, in eine so entlegene und unwirtliche Gegend mitnahm. Die Psychologie brachte schließlich Erhellung. Als sie höflich ein

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