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Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels

Titel: Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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wischte mir die Stirn. Auf dem Fluss ging immer eine kleine Brise, aber an Land war die Hitze schier unerträglich.
    »Der Markt in Halfa gehört zu den größten im Sudan«, schlug Emerson vor. »Du möchtest doch bestimmt noch ein bisschen bummeln gehen, Peabody.«
    »Möchte ich das?«
    »Das machst du doch immer. Denk dran, das hier ist bis auf weiteres der letzte größere Ort. In Kalabscha, dem Haltepunkt für Meroe, gibt es außer dem Bahnhof nur noch ein Rasthaus.«
    »Was ist mit Berber?«, warf Ramses ein.
    »Also nein, da machen wir nicht auch noch Zwischenhalt, oder? Wäre doch reine Zeitverschwendung. Wir fahren planmäßig direkt weiter nach Meroe.«
    »Was brüllst du denn so, Emerson?«, forschte ich.
    »Ich? Nein, ich doch nicht.« Er rüttelte an der Tür zur Bahnhofshalle, aber sie war verschlossen. Inzwischen hatte sich hinter uns eine Menschentraube gebildet, angelockt von der Ankunft des Dampfers und in der Hoffnung, sich ein paar Piaster zu verdienen. Man debattierte hitzig, bis einer aus der Gruppe vortrat und sich verbeugte. »Willkommen, Vater der Flüche. Bist du es wirklich?«
    »Aywa.« Emerson nickte. »Ich und kein anderer. Salam aleikum, Yusuf Sawar. Bitte seid doch so nett und holt mir den Bahnhofsvorsteher, ja?«
    Nicht lange, und besagtes Individuum kam angelaufen. Wie nicht anders zu erwarten, war er ein alter Freund. Während Emerson ihn begrüßte und Anweisungen gab, zupfte mich jemand am Ärmel. Als ich mich umdrehte, bemerkte ich Mr Newbold. Er drehte den Hut in der Hand, hinter ihm stand eine verschleierte Frau.
    »Darf ich Sie um einen Gefallen bitten, Mrs Emerson?«, fragte er. »Ich muss mich um den Weitertransport unseres Gepäcks kümmern und möchte meine Tochter nicht unbeaufsichtigt in dieser Männerhorde wissen.«
    »Ihre was?«, entfuhr es mir. Entgeistert musterte ich die schlanke, stumme Gestalt. »Ramses sagte aber doch –«
    »Oh verdammt«, murmelte Newbold. »Ich muss gestehen, dass ich Ihren Sohn ein bisschen hochgenommen habe. Daria ist meine Tochter und erst seit kurzem wieder bei mir. Eine traurige Geschichte. Vielleicht erzähle ich Sie Ihnen später mal. Würden Sie so nett sein und ein Auge auf sie haben, nur ein paar Minuten, ja? Wenn Sie bei ihr sind, wird sie das vor dreisten Annäherungsversuchen schützen.« Er verschwand, ohne meine Antwort abzuwarten. Schon aus reiner Menschenfreundlichkeit hätte ich schlecht ablehnen können. Außerdem war ich neugierig. »Sie sind sehr nett«, murmelte eine leise Stimme hinter dem Gesichtsschleier.
    »Sie sprechen Englisch?«, fragte ich überflüssigerweise, denn das hatte ich ja eben mit eigenen Ohren gehört. »Kommen Sie, wir gehen ein Stück beiseite. Dann stehen wir den Leuten nicht im Weg.«
    Zahllose Fragen brannten mir auf den Lippen. Wieso war sie Muslimin, wenn ihr Vater Christ war? (Kein besonders guter, wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte.) Warum tat sie so zurückhaltend, trug dann aber Gewänder, die ihre wohlgerundete Figur und ihr anziehendes Äußeres unterstrichen? Sie war in kostspieliges, feinstes Leinen gehüllt wie die Königinnen und Pharaonen im alten Ägypten – ein hauchzarter Seidenschal bedeckte Kopf sowie untere Gesichtshälfte – und mit Goldschmuck behängt. Höflich, wie ich bin, beschränkte ich mich darauf zu sagen: »Sie wollen bestimmt nach Khartum. Kann ich irgendetwas tun, um Ihnen die lange, anstrengende Reise ein bisschen angenehmer zu machen?«
    Sie ließ das Seidentuch, das Nase und Mund verhüllte, sinken und sah mich verblüfft an. Ramses hatte gehörig untertrieben. »Hübsch« war gar kein Ausdruck für die aparten Züge und die vollen rosigen Lippen. Ihre Haut war vergleichsweise hell wie die von Südeuropäern, die riesigen dunklen Augen kunstvoll mit Kajal umrahmt. »Warum bieten Sie mir das an?«
    »Na schön«, erwiderte ich lächelnd. »Sie sind sehr direkt. Das mag ich. Warum? Weil Sie jung sind und eine Frau, genau wie ich. Ihr – ähm – Vater ist sicher sehr fürsorglich, aber wie alle Männer grundsätzlich nicht in der Lage, sich in die weibliche Psyche hineinzuversetzen.«
    Mein kurzes Zögern vor dem Wort »Vater« blieb unkommentiert. Zweifellos hatte ihr Begleiter mich im Hinblick auf die verwandtschaftlichen Beziehungen angelogen, Ramses dagegen die Wahrheit erzählt. Selbst ein Scharlatan wie Newbold war nicht so dreist, mich seiner Geliebten vorzustellen, auch wenn mich das, anders als andere hochanständige Damen, herzlich

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