Amelia Peabody 17: Die Schlangenkrone
mich aber trotzdem nach Luxor übersetzen lassen. Er war weder in seinem Hotel noch in einem der anderen, und am Bahnhof wohl auch nicht. Die Schiffsagenturen waren ebenfalls Fehlanzeige. Das Problem ist«, fuhr Sethos fort, während er Fatima mitsamt Teegeschirr höflich die Tür aufhielt, »daß Lidmann nicht besonders auffällt. Mittelgroß, Allerweltsgesicht, leicht übergewichtig wie viele andere Touristen auch. Falls er noch am Westufer ist, dann lautet die große Preisfrage: Wo?« Fatima musterte ihn mit schiefgelegtem Kopf. »Geht es um Mr. Lidmann, diesen Herrn, der krank war? Er war heute morgen hier.«
»Hier?« brüllte Emerson. »Wann?«
»Na ja, heute morgen.« Fatima knetete nervös die Hände. »Er hat euch gesucht. Er wartete eine Zeitlang und ging dann wieder weg.«
»Hölle und Verdammnis!« Emerson sprang auf.
»Hab ich was falsch gemacht?« fragte Fatima bestürzt. »Er war doch schon mal hier, er arbeitet doch für Mr. Vandergelt.«
»Ist schon in Ordnung, Fatima«, beschwichtigte Sethos.
Emerson war im Haus verschwunden. Wir stürzten ihm hinterher, gefolgt von den Kindern, die rosig frisch geschrubbt zurückgekehrt waren. Ein Blick genügte, um die häßliche Wahrheit zu begreifen. Die unterste Schublade von Emersons Schreibtisch war aufgebrochen worden, die bemalte Schachtel mit der Statuette weg.
»Paß auf, was du sagst, Emerson«, bekniete ich ihn. »Denk an die Kinder!«
David John schüttelte immer wieder den Kopf. »Verzeih mir, Großpapa, wenn ich das anmerke, aber ich hab dir ja gleich gesagt, daß das kein sicheres Versteck ist.«
Aus Manuskript H
Ramses liebte das vergleichsweise ruhige und beschauliche Luxor, trotzdem übte Kairo einen unerklärlichen Zauber auf ihn aus. Da war das moderne Großstadtleben mit seinen Touristen, ausländischen Behörden und dem motorisierten Straßenverkehr, auf der anderen Seite aber auch das wahre, das lärmende Kairo: wogende Menschenmassen, Männer mit Turbanen und Galabijen, verschleierte Frauen, brüllende Kamele, scheuende Esel, blaffende Hunde.
»Wärst du lieber hier als in Luxor?« wollte Ramses von seinem Freund wissen.
»Am liebsten war ich bei Lia und den Kindern. Aber Kairo hat was …«
Im Semiramis Hotel hatte niemand mit Namen Petherick eingecheckt. Auch nicht im Savoy, im Hotel d’Angleterre, im Continental oder im Eden Palace. Weit nach Mittag schlug David schließlich behutsam vor, ob sie nicht eine kleine Pause machen und etwas essen sollten.
»Du kannst doch nicht den ganzen Tag so weitermachen, Ramses. Bis jetzt haben wir erst ein paar von den großen Hotels abgeklappert. Was schwebt dir eigentlich vor? Willst du etwa in Kairo übernachten?«
Ramses duckte sich geistesgegenwärtig unter ein Brottablett, das ein Bäcker auf den Schultern transportierte. »Ich habe vor, so lange zu suchen, bis wir sie finden, aber wenn du etwas essen willst.«
»Ich komme um vor Hunger. Du doch bestimmt auch, oder?«
»Gut, gehen wir als nächstes ins Shepheard’s.«
Auch dort war ihnen immer ein Tisch sicher. Da er das Management noch jedesmal in Panik versetzte, hatte Emerson in ebendiesem Hotel einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Und davon profitierte letztlich die gesamte Familie.
Sie bekamen nicht nur einen Tisch auf der begehrten Terrasse, sondern auch ein Zimmer für die Nacht. Nach Aussage des Empfangschefs lag keine Reservierung auf den Namen Petherick vor. »Im übrigen sind wir schon seit Monaten ausgebucht«, erklärte er. »Sie bekommen das Zimmer nur, weil wir Ihre Familie so lange kennen. Äh-hm – Sie werden diese Bevorzugung doch gegenüber Professor Emerson erwähnen, nicht wahr?«
Von ihrem strategisch günstigen Tisch am Rande der Balustrade hatten sie eine hervorragende Aussicht auf den Park und die belebte Straße unter ihnen. Nachdem sie bestellt und kurz mit den Kellnern geplaudert hatten, richtete Ramses sein Augenmerk auf die anderen Gäste.
»Das Übliche«, meinte David. »Touristen und die Hautevolee. Du glaubst doch nicht etwa, daß du hier zufällig auf die Pethericks stößt, oder?«
»Kann man nie wissen. Verdammt, da hinten sitzt Sylvia Bennett. Die größte Plaudertasche von Kairo. Puh, ich hab keine Lust, mich von ihr aushorchen zu lassen.«
»Dann tu so, als hättest du sie nicht bemerkt.«
»Da kennst du Sylvia aber schlecht.«
Er ignorierte, daß sie ihm scherzhaft mit dem Finger drohte, aber es nutzte nichts. Sylvia steuerte zu ihnen. Sie frisierte und kleidete sich stets nach
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