Amelia Peabody 17: Die Schlangenkrone
stimmen«, monierte Emerson. »Die Zeitungen bringen ständig die Fakten durcheinander. Und wenn du mich dauernd unterbrichst, komme ich nie zum Ende, Emerson.«
»Dann mach schnell.«
»Ihre Mutter starb an Kummer«, fuhr ich fort. »Völlig allein, konfrontiert mit den metzelnden Horden der vordringenden Deutschen … Ich weiß, Emerson, das kann auch nicht stimmen. Wie auch immer, das mutige junge Mädchen, deren großartige Romane bereits weltweit Beachtung fanden, flüchtete in dem unbeschreiblichen Desaster mit zwei loyalen Dienern nach England, mit nichts als den Kleidern, die sie am Leib trug.«
»Keine Papiere, keine Entourage, kein geliebtes Kreuz, das ihrer Mutter, inzwischen ein himmlischer Engel, gehört hatte?« fragte Emerson, der entspannt auf dem Rücken lag, die Hände hinter dem Kopf verschränkt.
»Sehr gut kombiniert, Emerson.« Ich lachte. »Sie hatte alles verloren, einschließlich der Diener, von denen einer den Tod fand, als er sie aus den Fängen eines Frauenschänders rettete.«
»Nicht beide?«
»Die Dienerin starb an einem Fieber, nachdem sie ihrer geliebten Herrin Magda ihre sämtlichen Wasser- und Essensrationen überlassen hatte.«
»Heiliger Strohsack.«
»Viel mehr steht hier nicht«, schloß ich. »Ihre Verleger und ihr Lesepublikum nahmen sie mit offenen Armen auf, und sie begeisterte weiterhin Kritik und Leser.«
»Mach das Licht aus, Peabody.«
»Gern, mein Schatz.«
Emerson willigte ein, mich tags darauf ins Hotel zu begleiten. Er grummelte zwar ein bißchen, daß ihm die Zeit für seine Arbeit fehle, allerdings war er genauso gespannt wie ich – und er hoffte vermutlich im stillen, daß sich meine These mit der fragwürdigen Mrs. Johnson als falsch erweisen würde. Sethos begleitete uns, obwohl Emerson sich hartnäckig bemühte, ihn davon abzubringen.
Ich ging fest davon aus, daß sich Mr. Salt von Emerson problemlos überzeugen ließe, in die Privatsphäre eines Gastes einzudringen. Und richtig, der Hoteldirektor zeigte sich durchaus kooperativ. Das Zimmermädchen hatte ihm bereits berichtet, daß das Bett und auch die Handtücher im Bad nicht angerührt worden seien. Darum war Mr. Salt ohnehin etwas angespannt. Ein zweites mysteriöses Verschwinden hätte dem guten Ruf des Winter Palace geschadet, nicht auszudenken, wenn es, wie das erste Mal, von einem Mord gekrönt worden wäre.
»Ich hoffe doch sehr«, meinte der Direktor betreten, »daß nichts Ernstes passiert ist. Vielleicht ist Mrs. Johnson nur für ein paar Tage weg.«
»Ohne Sie oder den Mitarbeiter am Empfang in Kenntnis zu setzen?« gab ich zu bedenken.
Mr. Salt stöhnte gequält auf.
In besagtem Hotelzimmer roch es so muffig, als wäre es einige Zeit nicht bewohnt gewesen. Ein schweres Parfüm hing in der Luft. Ein Nachthemd lag sorgfältig über die zurückgeschlagene Bettdecke drapiert. Ich strebte sogleich zum Schrank, wo sich meine Ahnung bestätigte – dort hingen mehrere elegante Kleider in Mrs. Pethericks Größe. Als ich das oberste Schubfach des Toilettentischs herauszog, strömte mir ein ungleich stärkerer Duft entgegen.
»Es ist ihr Parfüm«, erläuterte ich naserümpfend.
»Hmph«, knurrte Emerson. »Das beweist gar nichts, Peabody.«
»Und das hier?« Ich hielt ein Leinenunterhemd hoch und deutete auf den Namen, der in das Wäscheetikett eingestickt war.
»Hmph«, meinte Emerson in einer veränderten Tonlage.
»Na komm schon, Emerson, sei kein Spielverderber«, sagte Sethos. »Sie hat richtig getippt. Das mußt du neidlos anerkennen.«
»Tu ich ja«, grummelte sein Bruder.
Nachdem wir den bedauernswerten Mr. Salt aufgeklärt hatten, schüttelte er immer wieder fassungslos den Kopf und murmelte irgend etwas von der Presse. »Die Zeitungen müssen darüber informiert werden, nicht wahr?«
»Aber nicht von uns«, erwiderte ich schroff. »Allerdings muß die Polizei benachrichtigt werden, und dann dringt das Ganze zweifellos an die Öffentlichkeit.«
Wir durchsuchten den Raum mit aller Gründlichkeit. Ich nahm mir ihre Kleider vor und Sethos die Unterwäsche. Emerson, dem die natürlichen Reize einer Frau bedeutend mehr zusagen als ihre frivolen Dessous, beäugte seinen Bruder mißfällig. Wir entdeckten nichts von Bedeutung, mit Ausnahme einer weiteren Schmuckschatulle, deren Inhalt ungleich wertvoller war als der billige Tand, den ich zuvor gefunden hatte. Ganz ohne Zweifel liebte die Gräfin Magda funkelnde Juwelen, je glitzernder, desto besser. Zwei Paar Diamantohrringe,
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