Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
schickte mir ein Kärtchen mit ihrer Zusage.
Der nächste Punkt auf meiner (ständig) aktualisierten Liste befasste sich mit Selim. Glücklicherweise traf ich ihn gemeinsam mit David und Emerson auf der Veranda an. Mein Mann hatte ihn zum Mittagessen eingeladen. Sie rauchten, tranken Kaffee und plauderten über Tutanchamon. Es dauerte eine Weile, bis ich mich in die Unterhaltung einzuklinken vermochte; um ehrlich zu sein, musste ich deswegen schnöde Emersons Redefluss unterbrechen.
»Habt ihr Selim schon erzählt, was Gargery passiert ist?«, erkundigte ich mich.
Mitten in seinem Vortrag gestört, begriff Emerson zunächst nicht. »Was denn?«
Ich schilderte es Selim, der sich gedankenvoll über den Bart strich. »Das kapiere ich nicht, Sitt Hakim. Was hat das zu bedeuten?«
»Das bedeutet, dass dergleichen jedem von uns passieren kann. Folglich möchte ich zusätzliche Wachleute rings um das Haus postieren. Und ich möchte, dass die Kinder einen Leibwächter bekommen.«
Emerson wollte schon protestieren, da ihn das wertvolle Arbeitskräfte kosten würde. Er setzte bei der Erwähnung der Kinder jedoch eine sorgenvolle Miene auf.
»Aber sie haben doch Elia und den Hund«, begann er.
»Amira ist erwiesenermaßen kein besonders guter Wachhund, und Elia zwar ein begnadetes Kindermädchen, aber kein Leibwächter.«
»Hmpf«, machte Emerson. »Stimmt, Peabody. Kümmerst du dich darum, Selim?«
»Ja, Emerson. Obwohl ich nicht glaube, dass den Kindern von einem Ägypter Gefahr drohen könnte. Den würden sich die Männer aus Kurna schnappen und in Stücke reißen.«
Seine sachlich-überzeugende Argumentation beruhigte mich. Mir fiel ein Stein vom Herzen. »Ganz recht«, murmelte ich. »Danke Selim.«
David, der Ärmste, war heiß begehrt und wurde mithin von allen Seiten belagert. Die Zwillinge, die ausnahmsweise mit uns zusammen das Mittagessen einnehmen durften, wollten, dass er mit ihnen das Haus weihnachtlich schmückte. Emerson schlug einen Nachmittagsausflug zu den Stätten vor, die Monsieur Lacau uns für die kommende Saison angeboten hatte, und Cyrus schickte uns eine Nachricht, mit der er uns am Abend zum Dinner einlud und anfragte, ob David am Nachmittag mit uns ins Westtal käme. Daoud wollte wissen, wann David einen Besuch bei Khadija und seiner umfangreichen Verwandtschaft in Kurna eingeplant hätte; und Sennia, die untadelige Tischmanieren demonstrierte (vermutlich um den Zwillingen Vorbild zu sein), informierte uns, dass sie uns auf jeden Fall begleiten wolle – egal wohin. Da der gutmütige David niemanden vor den Kopf stoßen wollte, nahm ich ihm die Entscheidung ab.
»Wir sind heute Nachmittag zum Tee im Winter Palace – doch Emerson, keine Widerrede –, und essen heute Abend mit den Vandergelts – ich hab bereits zugesagt –, demnach bleibt nicht mehr viel Zeit für anderes. Sennia, ich möchte, dass du dich vorher noch ein bisschen in deinem Zimmer ausruhst. Und Fatima soll dein bestes Kleid aufbügeln, immerhin gehst du heute Abend mit zu den Vandergelts.«
»Ich auch, ich auch«, rief Carla.
»Nein, du nicht.«
Carlas Gesicht nahm einen ungesunden Rotton an und sie entblößte die weißen Zähnchen zu einem trotzig cholerischen Kreischen. »Erst wenn du lernst, dich wie eine Dame zu benehmen, darfst du die Erwachsenen begleiten«, übertönte ich ihr Geschrei.
Carla wurde von Ramses weggezerrt – er war der Einzige außer mir, der mit ihr fertig wurde, wenn sie einen ihrer kleinen Wutanfälle hatte. Gemeinsam mit Sennia schaute ich nach Gargery. Ich hatte abgelehnt, als er anbot, das Mittagsmahl zu servieren, und da er nicht mit uns am Tisch sitzen mochte, hatte ich ihm sein Essen aufs Zimmer bringen lassen. Er kauerte über dem Tablett wie ein alter Raubvogel und knurrte mich an, als ich mich nach seinem Befinden erkundigte. Immerhin hatte er alles aufgegessen.
Später fand ich mich in Ramses’ Arbeitszimmer ein, wohin ich die Übrigen zu einem Treffen bestellt hatte. »Wir müssen dringend die Angelegenheit mit dem Dokument klären«, informierte ich die Runde und setzte mich auf den Stuhl, den Sethos mir hinschob. »Ich habe es mir angesehen und nichts Aufschlussreiches entdecken können. Ich schlage vor, wir schicken es umgehend an die Adresse, die Sethos mitgeteilt wurde.«
Stirnrunzelnd nahm Emerson sich das Dokument. Das Papier war vergilbt, zerknittert und fleckig (und an mehreren Stellen versengt, da ich es zu nah an die Kerzenflamme gehalten hatte). »Ich sehe
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