Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
Thema beschäftigt die Philosophie schon seit Jahrhunderten.«
»Ich werde es nicht vertiefen, Sitt.«
»Das war mir klar.« Ich sah ihn direkt an. »Geht es dir gut, mein lieber alter Freund?«
»Wie könnte es mir anders gehen?« Sein breiter Brustkorb hob sich, da er einen tiefen Zug der frischen Morgenluft inhalierte. »Möge es dir und denen, die wir lieben, wohl ergehen bis zu unserem nächsten Wiedersehen, Sitt.«
Ohne Abschiedsgruß marschierte er über den Pfad davon, der ins Tal führte. Es war nie anders gewesen.
Als der Zug am nächsten Morgen in Luxor einfuhr, war Emerson schon am Bahnhof. Zunächst entdeckte ich ihn nicht, da er im Schneidersitz auf dem Bahnsteig hockte und angeregt mit mehreren Kofferträgern plauschte. Als er mich am Waggonfenster bemerkte, eilte er in langen Schritten über die Plattform und half mir die Stufen hinunter.
»Ich war zufällig hier und dachte mir, dass du vielleicht in diesem Zug bist«, tönte er.
»Zufall hin oder her, ich hab dir doch gesagt, dass ich um diese Uhrzeit eintreffe. Klopf dir mal den Staub von der Hose, Emerson. Und wo ist dein Hut?«
Emerson wischte sich abwesend über die mit undefinierbarem Unrat beschmierten Hosenbeine und ignorierte die Frage, die er mir mit ziemlicher Sicherheit auch nicht hätte beantworten können. Einmal abgesehen von den anziehenden grauen Schläfen war sein kräftiges Haar noch genauso dicht und schwarz wie früher. Lag es etwa daran, dass er immer barhäuptig loszog? Zweifellos arbeitete er nicht mit Haarfärbemitteln, denn die hätte ich gefunden – und mein eigenes Fläschchen bewahrte ich gut versteckt auf.
Er hakte sich bei mir unter. »Und? Alles glücklich verlaufen?«
»Mit Glück hat das nichts zu tun. Alles verlief nach Plan.«
»Pfft«, lautete Emersons Kommentar.
»Und bei dir?«
Emerson nahm dem Träger meinen Koffer ab und führte mich zu den wartenden Droschken. »Carter fängt morgen mit der Exkavation an.«
»Gute Güte, Emerson, ist das alles, woran du denken kannst?«
Ganz offensichtlich. Er stellte keine weiteren Fragen und protestierte auch nicht, als ich vorschlug, am Abend vor versammelter Mannschaft ausführlich zu berichten.
Nach längeren Zugreisen fühle ich mich jedes Mal ziemlich ramponiert. Deshalb nahm ich nach Emersons Aufbruch ins Westtal ein ausgedehntes Bad in meiner Zinkwanne, wusch mir die Haare (nicht ohne ein bisschen Farbe aufzutragen) und zog bequeme Sachen an. Den restlichen Tag verbrachte ich auf der Veranda, wo ich meine Notizen ordnete und auf der Straße heimlich Ausschau nach Fremden hielt. Für gewöhnlich liefen dort nur Dorfbewohner vorbei. Oder ins Haus, denn Fatima und unsere anderen Bediensteten hatten überall am Westufer Verwandte, und die schauten gern auf ein Schwätzchen oder einen kleinen Imbiss vorbei. Ich hatte auch nichts dagegen, dass Fatima etliche der hiesigen Bettler mit durchfütterte. Genau wie der Islam sieht unser Glaube vor, dass wir unseren Überfluss mit denjenigen teilen, die der Allmächtige (aus Gründen, die uns verborgen bleiben) nicht begünstigt hat. Und diese Individuen besaßen oft interessante Informationen, die sie an Fatima weitergaben. Von ihr gelangten sie dann an mich.
Die meisten dieser armen Schlucker kannte ich inzwischen, zumindest vom Ansehen; einige wurden sogar als heilige Männer verehrt. Einer schlenderte an jenem Nachmittag über die Veranda, ein zerlumpter Bursche mit grauem Rauschebart und einem knorrigen Stock, auf den er seine gebeugte Gestalt stützte. Er bedachte mich mit einem milden Lächeln und einem gemurmelten Segen, was ich mit einer Verbeugung quittierte, derweil er zielstrebig in Richtung Küche steuerte.
Sein Gesicht kam mir bekannt vor, da ich ihn schon mehrfach gesehen hatte. Auch den Halbwüchsigen, der einige Zeit später die Straße hinunterkam. Allerdings behielt ich ihn im Auge, da diese jungen Leute für ihr Leben gern im Stall verschwanden, um dort das Automobil zu bewundern (und daran herumzuschrauben). Der Junge hockte sich jedoch ein Stück von mir entfernt auf den Boden und blieb dort sitzen.
Ich hatte Fatima gebeten, den Tee zeitig aufzubrühen. Meine innere Eingebung erwies sich als korrekt. Ramses und Nefret fanden sich als Erste ein, dicht gefolgt von Cyrus, Bertie, Jumana, Selim und Daoud und, mit kurzem Abstand, Emerson. Ich legte sogleich mit meinem Bericht los, hatten wir doch mehr Ruhe, solange die Zwillinge noch nicht eingetrudelt waren.
»Ich habe Mademoiselle Malraux’
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