Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
darunter hervor und glättete sittsam seine Robe. »Ich denke, ich hab den Schaden behoben, Sitt. Soll ich euch ins Tal fahren?«
»Wo ist Emerson?«, fragte ich, verblüfft, dass er die Reparaturarbeiten nicht tatkräftig unterstützte.
»Nachdem er sein Pferd gesattelt hatte, galoppierte er lauthals fluchend los«, sagte Selim. »Er wollte nicht mehr warten.«
»Auch gut«, murmelte ich. »Er hatte ziemlich schlechte Laune. Der Rest von uns will ins Osttal, allerdings hättest du Emerson besser ins Westtal begleitet, Selim. Aber nicht mit dem Wagen.«
Selim sah mich trotzig an, dennoch war ihm bewusst, dass er sich nicht mit mir anlegen durfte. »Stimmt es, dass David und die kleine Taube demnächst kommen?«
Kleine Taube war Sennias Kosename. Unsere ägyptische Familie vergötterte sie und auch David, der durch seinen Großvater mit den meisten verwandt war.
»Gargery kommt auch«, bemerkte ich.
»Ah«, meinte Selim.
Er half Jamad beim Satteln der Pferde und ritt mit uns bis zu der Straße, die ins Westtal führte. Dort machte er kehrt und winkte uns zum Abschied. Wir steuerten zum Eingang des Osttals, wo wir die Pferde auf der Koppel zurückließen und uns dem Touristenstrom anschlossen. Unterwegs trafen wir ausgerechnet auf die Person, die ich lieber von hinten gesehen hätte. Fesch mit Tropenhelm und locker gegürteter Safarijacke schloss Kevin O’Connell zu mir auf. »Guten Morgen, Mrs Emerson. Ich hatte schon viel eher mit Ihnen gerechnet.«
»Ach, lassen Sie mich doch in Ruhe«, murmelte ich und versetzte ihm einen leichten Knuff mit dem Ellbogen. Kevin setzte eine beleidigte Miene auf und grinste dann.
»Ihr Wunsch sei mir Befehl, Ma’am. Man sieht sich.«
Rings um den Grabeingang waren provisorische Wände hochgemauert worden sowie ein kleiner Schuppen für Werkzeug und Wachleute. Nach der denkwürdigen Nacht vor einigen Wochen hatte Howard seine Lektion gelernt; der Grabeingang wurde inzwischen von ägyptischen Soldaten bewacht und von Mr Callender, der auf der Mauer hockte, eine Flinte auf den Knien. Als er uns sah, setzte er sich ruckartig auf und bekam einen Hustenanfall. Die Luft war nämlich ungeheuer staubig.
Ich begrüßte ihn mit einem strahlenden Lächeln.
»Guten Morgen, Mr Callender. Wissen Sie, Sie sollten wirklich Ihren Helm aufsetzen.«
Er blickte vorsichtig von mir zu Ramses und Nefret, und von Cyrus zu Sethos. Da Emerson ganz offensichtlich nicht mit von der Partie war, entspannte er sich erleichtert und begrüßte uns höflich.
Die Schutthalden vor dem Grabeingang waren inzwischen beseitigt worden und die Arbeiter mit der Freilegung der Treppe beschäftigt. Mitten in dem Geröll stand ein Felsbrocken mit einem aufgemalten Wappen – dem Seiner Lordschaft vermutlich – da sonst niemand Wappenträger war.
»Irgendwelche Probleme?«, fragte ich beim Näherkommen.
»Nein, Ma’am.«
Ein spürbares Tippen von Sethos an meinen Ellbogen ließ mich hinzufügen: »Ich glaube, Sie haben Mr Anthony Bissinghurst noch nicht kennengelernt, einen unserer neuen Stabsmitarbeiter. Sein Fachgebiet sind demotische Schriften, er ist sozusagen Spezialist für die Amarna-Periode.«
»Sehr erfreut, Sir«, meinte Sethos hochtrabend. »Ihr Berufsethos und Ihre Kompetenz sind in Ägypten Legende geworden.«
Mein Schwager wusste genau wie ich, dass Menschen für die abstrusesten Komplimente empfänglich sind. Callender strahlte wie ein Honigkuchenpferd, sichtlich froh über ein bisschen Abwechslung. Er hievte sich auf die Füße. »Verzeihen Sie, meine Damen, dass ich nicht gleich aufgestanden bin. Möchten Sie sich auf … auf die Mauer setzen?«
»I wo, wir möchten Sie nicht lange aufhalten«, erwiderte Nefret mit ihrem anziehenden Grübchenlächeln. »Wir wollten nur kurz Hallo sagen und Ihnen eine Flasche von Fatimas Limonade vorbeibringen.«
Es war ihre Idee gewesen mit der Limonade, die begeistert Anklang fand. Callender nahm einen durstigen Schluck. »Sehr aufmerksam von Ihnen«, murmelte er, sich mit einem schmutzigen Taschentuch den Mund wischend. »Und lassen Sie mich hinzufügen, Mrs Emerson, wie bezaubernd Sie ausschauen. Wir haben uns immerhin eine ganze Weile nicht gesehen.«
Das Kompliment galt nicht mir. Nefret erwiderte zuckrig: »Wir hatten leider keine Zeit zu kommen. Jede Menge Arbeit und so … Aber jetzt sind wir ja da und bereit einzuspringen, wo nötig. Falls, und da sei Gott vor, Sie medizinische Hilfe brauchen, wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an mich.«
Das
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