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Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Titel: Amelie und die Liebe unterm Regenschirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Molden
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bei Königgrätz diskutierten und über etwaige Liefermodalitäten der Offizine Lenz in diesem Zusammenhang sprachen, wanderte Amelie von Tisch zu Tisch, von Schlacht zu Schlacht. Momentaufnahmen aus einer längst vergangenen Wirklichkeit. Gestaltete Miniaturlandschaft. Hügel und Ebenen, Büsche, Wälder, Flüsse und Bäche, Brücken. Vorrücken und Verharren der zinnernen Regimenter. Infanterie, Kavallerie, Artillerie. Offiziere zu Fuß und zu Pferde. Vorwärts stürmende Fahnenträger. Trommler und Trompeter. Wenn drunten auf der Straße ein Lastwagen vorüberdonnerte, erzitterte, was auf dem Schlachtfeld stand. Amelie kniff die Augen zusammen und versuchte, den kriegerischen Minimundus im Geiste zu vergrößern, dumpfes Trommeln und schrille Trompeten zu hören, Infanterie und Kavallerie aufeinander zurasen zu sehen bis zum unvermeidlichen Zusammenprall…
    Sie schüttelte das Bild ab und sah sich in Hofeneders Herrenzimmer um. Wie alle Räume hier war auch dieser gut vier Meter hoch. Dunkle, abgenützte Tapeten. Die schweren Ledermöbel und der Schreibtisch waren wegen der Völkerschlacht bei Leipzig aus ihrer eigentlichen Position an die Wand gerückt. Auf dem Kaminsims eine Anzahl von Fotografien in matten angelaufenen Rahmen. Aha, keine da, die das Silber putzt, dachte Amelie und trat näher, um die Fotografien zu betrachten. Bärtige Herren, die alt aussahen, obwohl sie noch jung waren. Eine hübsche, elegische Frau in einer Abendrobe im Stil der Zwanzigerjahre. Ein Bub mit halblangem Haar im Matrosenanzug. Ein forscher Hofeneder in Jagdausrüstung, neben ihm ein hochgewachsener, ausnehmend eleganter Mann, ebenfalls in Jagdkleidung. Daneben die Porträtaufnahme eines Mannes, dessen Gesicht Amelie derart fesselte, dass sie das Bild in die Hand nahm, um es näher anzusehen. Kein schöner, aber ein ausgesprochen attraktiver Mensch. Um die fünfzig vielleicht, kantige Züge, große Nase, tief liegende Augen, die so lebendig wirkten, dass Amelie flüchtig glaubte, tatsächlich in sie hineinzusehen. Es war übrigens derselbe Mann, der neben dem Jäger Hofeneder abgebildet war. Amelie strich mit dem Ärmel über das Foto, um den Staub davon zu entfernen und versuchte, mit dem Ende ihres Schals das Silber zum Glänzen zu bringen. Vergebens. Sie stellte das Foto wieder an seinen Platz und kehrte zu den beiden Herren in den Salon zurück.
    »Nun, meine Liebe, wie gefallen Ihnen meine Schlachten«, fragte Hofeneder und sah Amelie nahezu zärtlich entgegen.
    »Beeindruckend«, seufzte sie. »Es muss eine unglaubliche Müh gewesen sein, das alles aufzubauen. Wenn ich mir vorstelle, dass jetzt auch noch Königgrätz drankommt…« Ehe der Hofrat etwas erwidern konnte, fuhr sie fort: »Ich habe übrigens ein bissl spioniert und mir die Fotos am Kaminsims angesehen. Darf ich fragen, wer der Herr ist, der auf dem Jagdfoto neben Ihnen steht? Ich glaube, es gibt da auch ein Porträt von ihm.«
    »Ahh«, Hofeneder zog den Laut in die Länge, als hätte er auf diese Frage gewartet. »Das ist mein alter Freund Leopold Bartenberg. Die Aufnahme ist übrigens gut zwanzig Jahre alt, wir sind ein und derselbe Jahrgang.« Er räusperte sich, es klang ein wenig verlegen, so als wäre ihm seine letzte Bemerkung peinlich, und fuhr rasch fort. »Wir haben acht Jahre lang gemeinsam die Schulbank im Theresianum gedrückt. Bartenberg ist später Anwalt geworden, ein großartiger Anwalt. Seine berufliche Situation war und ist brillant – seine persönliche hingegen…« Der Hofrat sah in das erwartungsvoll gespannte Gesicht von Amelie. »Er hat seine Jugendliebe geheiratet, zu ihrer Zeit eines der schönsten Mädchen Wiens, eine überaus glückliche Verbindung. Leider ist seine junge Frau zwei Jahre nach der Hochzeit tödlich verunglückt. Sie war damals in guter Hoffnung…«
    »Wie schrecklich.« Amelie schien vom Schicksal des Unbekannten fasziniert. »Und er hat nicht wieder geheiratet, ihr Freund?«
    Der Hofrat schüttelte den Kopf. »Keine zweite Ehe, keine Kinder, eine Tragödie eigener Art.« Er unterbrach sich, um gleich darauf fortzufahren. »Verstehen Sie mich nicht falsch, Amelie, Bartenberg ist keineswegs ein Kind von Traurigkeit. Er genießt sein Leben, er geht auf Reisen und auf die Jagd. Er ist gesellig, er liebt Musik, und seine Hauskonzerte gehören zu den gesuchtesten der Stadt. Es wäre mir übrigens eine Freude, wenn Sie mich zu einem dieser Konzerte begleiten würden.«
    Später, als Vater und Tochter beim Abendessen

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