Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
nach Arezzo nicht doch verschieben sollten. »Schau, Herzerl, der Vater und ich haben uns überlegt, dass wir ebenso gut nach Ostern fahren könnten. Vielleicht brauchst du jetzt ein paar Tage Ferien, ich könnte dich umsorgen, wir zwei könnten einmal übern Tag nach München fahren, Auslagen schauen, der Vater tät sich freuen und der Lorenz sicher auch…«
»Lieb von euch, Mutter«, unterbrach Amelie Lizzis Redefluss, »aber mir geht es zurzeit hervorragend. Ich habe einen Haufen Arbeit. Außerdem ist der Frühling in Wien schlicht ein Traum. Den möcht ich nicht versäumen«.
Lizzi wurde hellhörig. »Du klingst so fröhlich, nach Flirt und Flieder, ist vielleicht etwas Nettes passiert, das wir wissen sollten?«
Amelie kicherte. »Nichts von Bedeutung, Mutter, hübscher Alltag. Fahrt zu, ihr beiden! Habt es schön! Grüß Vater! Und kommt mir gesund wieder!«
Die Osterwoche verging im Handumdrehen. Amelie wurde mit der Puppenstube fertig und verabredete sich mit ihrer Puppen sammelnden Kundin, um sie ihr anzubieten. Die junge Frau war begeistert und schlug zu, worauf Amelie Burgi Wechsler anrief, um mit ihr einen Termin für das im Verkaufsfall ausgemachte Abendessen zu fixieren. Die Einladung habe Zeit, Amelie solle ihr lieber bei einem Bazar zugunsten behinderter Kinder helfen, befahl Burgi. Am Gründonnerstag. In der Galerie, die Amelie bereits kenne. Der Erste, dem sie dort in die Arme lief, war Maxim der Maler. Er hatte für den guten Zweck Ostereier in weißrussischer Manier bemalt, die reißend Absatz fanden. Von diesem Erfolg beflügelt, klemmte er sich hinter Amelie, folgte ihr auf Schritt und Tritt und versicherte ihr einförmig, aber leidenschaftlich, dass sie »schen, so schen« sei und von niemand anderem als Maxim gemalt werden müsse. Seine behaarten Hände umkreisten sie wie Vogelspinnen, seine Augen glühten bemüht, in ihrem gelösten Zustand fand Amelie das alles sehr komisch, warf den Kopf in den Nacken und lachte. Gebannt starrte der Weißrusse auf ihren langen, gebogenen Hals und flüsterte gottergeben: »Ich firchte, ich liebe Sie.«
Am Karfreitag machte Amelie Osterputz im Salettl. Dabei fiel ihr das Lola-Prinzip in die Hände. Als sie darin blättern wollte, öffnete es sich von selbst bei Kapitel 1.3, jener Stelle, an der Amelie eine Bahnkarte Salzburg– Wien als Lesezeichen eingelegt hatte. Good bye Zufall nannte der Autor das Kapitel. Er behauptete darin fettgedruckt, dass es im Kosmos weder Opfer noch Zufälle gebe. Als Kronzeugen für diese seine These führte er Physiker an. Einstein etwa und dessen Satz: »Ich werde nie glauben, dass Gott mit der Welt Würfel spielt.« Oder den Chaos-Theoretiker Paul Davies, der meinte: »Woher kann man wissen, ob das Ergebnis beim Werfen einer Münze oder beim Würfeln wirklich zufällig ist? Darüber besteht keine Einigkeit.«
Alles Schicksal also? Vorbestimmung? Gibt es gar Engel, die das Gewünschte bringen?
Gregor hatte noch immer auf Band geschaltet, und Amelie verstörte das nach wie vor nicht. Ihre Gewissheit, dass sie dicht vorm Ziel stand, war durch nichts zu erschüttern.
Am Morgen des Ostersonntags rief Uli aus Berlin an, um »frohes Sein« zu wünschen. Mit seiner Rückkehr nach Wien sei Anfang Mai zu rechnen. Berlin sei aufregend, aber anstrengend, er selber sei zwar mit seiner Arbeit fertig, aber er wolle Ludwig nicht allein lassen.
»Du klingst besorgt, geht’s Ludwig nicht gut?«, fragte Amelie.
Uli seufzte, ehe er sich zu einer Antwort entschloss. »Doch, doch. Er ist schon in Ordnung. Gesundheitlich meine ich. Aber er halst sich einfach zu viel auf.«
Amelie hatte den Eindruck, dass er überlegte, ob er fortfahren sollte. »Na komm schon, mein Hähnchen, irgendetwas stimmt nicht, sag der alten Ami, wo der Schuh drückt«, lockte sie.
Uli blockte ab. »Alles okay, mein Hühnchen. Wirklich. Sag lieber, wie es bei dir so läuft. Warst du bei der Böheimstetten? Hast du eine Robe für Bartenberg gefunden?«
Bartenbergs Fête! Im Banne von Gregor Freytag hatte Amelie das Hauskonzert völlig vergessen.
Am Mittwoch nach Ostern rief der Wirkliche Hofrat an, um zu fragen, wann er sie am darauf folgenden Abend abholen dürfe. Die Garderobefrage stellte sich insofern nicht mehr, als die Zeit für einen wohl überlegten Kauf nicht mehr reichte. Sie würde den silbergrauen Hosenanzug und das weiße Seidentop anziehen, damit hatte sie zu Silvester auch gepunktet.
Als Amelie Schlag neunzehn Uhr aus dem Haustor trat, um, wie
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