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Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Titel: Amelie und die Liebe unterm Regenschirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Molden
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entdeckte sie den Schrankkoffer.
    »Das darf doch nicht wahr sein«, kicherte sie und wand sich zu dem Ungetüm durch.
    Der Koffer war riesig. Aufrecht stehend reichte er bis zur Höhe von Amelies Nasenwurzel. Er war aus gestreiftem, leinenähnlichem Material gearbeitet, mit messingarmierten Lederecken und mit soliden Beschlägen und Schlössern aus Messing versehen. Die Schlüssel steckten in den Schlössern.
    Vorsichtig drehte Amelie die Schlüssel, der Koffer öffnete sich, ein Raum tat sich auf. Auf einer ausziehbaren Schiene hingen Kleiderhaken aus Messing, an den Innenseiten waren Halter für Krawatten und Gürtel angebracht. ›Ich hätte locker Platz in dem Ding, man könnte mich darin verstecken und verschiffen‹, dachte Amelie. Sie sah sich um, niemand da, Montag und noch zu früh am Morgen für die Damen der Gesellschaft, die Ätherische ließ sich ebenfalls nicht blicken. Amelie konnte der Versuchung nicht widerstehen, sie stieg in den Koffer und versuchte ihn von innen zu schließen. »Jö, bist du kindisch«, flüsterte sie leise kichernd und zwinkerte durch den schmalen Spalt, der noch offen stand, nach draußen. Dann schnupperte sie. ›Nicht Mottenkugel, nein, ganz und gar nicht. Riecht eher nach Lavendel. Oder Zitronenmelisse.‹
    Plötzlich krachte es leise unter ihren Füßen. Erschrocken stieg sie aus dem Koffer, um nachzusehen, ob unter ihrem Gewicht etwas kaputt gegangen war. Sie bückte sich und entdeckte am Grund des Koffers eine flache Lade.
    Die Lade wollte sich erst nicht öffnen lassen. Irgendetwas befand sich drin, das hakte. Amelie zog an der Lade, vorsichtig erst, noch einmal, schließlich mit einem heftigen Ruck.
    Die Lade war offen. Amelie fasste hinein, ertastete zwei flache Gegenstände aus rauem Stoff und holte sie ans Tageslicht.
    Wie versteinert verharrte sie in tiefer Hocke und starrte auf ihren Fund: ein Paar schwarze Gamaschen. Giftgrün eingefasst. An den oberen Rändern befand sich ein winziges Wappen. Eingestickt. Gleichfalls giftgrün.

9
    »Die nehme ich«, sagte Amelie heiser und legte die Gamaschen auf den Tisch. Ihre Stimme kam ihr so fremd vor, dass sie sich flüchtig fragte, ob sie selbst es war, die gesprochen hatte.
    Die Ätherische zog die Augenbrauen hoch, griff mit deutlichem Desinteresse nach den Gamaschen, drehte und wendete sie nach allen Seiten und legte sie auf den Tisch zurück. »Das geht nicht, die haben keine Nummer und sind nicht ausgezeichnet.« Hiermit schien das Thema für sie beendet.
    »Dann geben Sie ihnen eine Nummer und zeichnen sie aus«, fuhr Amelie die junge Person an.
    Im Zeitlupentempo hob die Ätherische die Augenlider, ihr blasierter Blick streifte Amelie und richtete sich gleich wieder ins Weite. »Das gehört nicht zu meinen Aufgaben«, näselte sie.
    Der darauf folgende Wortwechsel klärte die Lage ansatzweise. Die Gamaschen hatten unbemerkt in der Lade des Koffers geschlummert, ehe Amelie sie entdeckte. Wie mit dieser Entdeckung zu verfahren sei, könne nur Gräfin Böheimstetten entscheiden. Letztere werde erst gegen Mittag im Shop auftauchen…
    Amelie umfasste die Gamaschen mit einem Blick, als wolle sie sie beschwören, nur ja nicht wieder zu verschwinden. Dann wies sie die Ätherische an, der Gräfin zu bestellen, sie, Amelie werde pünktlich um elf Uhr wieder im Shop sein, die Gamaschen seien für sie von enormer Wichtigkeit, sie sei bereit, dafür jeden Preis zu zahlen, man möge sie auf keinen Fall weggeben.
    Als sie auf der Straße stand, holte sie so tief Luft, als hätte sie in den letzten zwanzig Minuten das Atmen vergessen. Was tun bis elf Uhr? In die Josefstadt rennen, um den Laden auf und gleich wieder zuzusperren, kam nicht in Frage.
    Amelie begann durch die Stadt zu wandern. Ziellos. Aufgewühlt. Unfähig, Überlegungen anzustellen. Wie kleine unberechenbare Fische schossen Gedankenfetzen durch ihren Kopf. Im Zickzack ging sie durch Gassen, überquerte Plätze, bis sie schießlich vor dem Riesentor des Doms stand. Von einem Schwall von Touristen ließ sie sich ins Innere treiben. Vor dem Seitenaltar der Madonna mit dem Kind quetschte sie sich in die letzte Bank – was heißt Bank, in den einen, engen, nur für Personen mit geringem Körperumfang benützbaren, an eine steinerne Säule geschmiegten Sitz. Vor dem goldenen Hintergrund des Altarbildes spielten Licht und Schatten Fangen mit der graziösen Maria und ihrem feisten Baby. Amelie sah zu, ihr innerer Aufruhr legte sich. Zu guter Letzt schwang, gleichmäßig

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