Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
schöne Frauen. Kein Wunder, dass er mit Ihnen geflirtet hat – hat er doch, Amelie?«
Sie fühlte sich warm und geborgen und war gelöst, als wäre sie hier zu Hause. Das wortlose Lächeln, das sie Bartenberg schenkte, spiegelte ihre Befindlichkeit wider.
Bartenberg räusperte sich und sah rasch ins Feuer. »Schade, dass mein Neffe zurzeit nicht in Europa ist. Er wäre ein guter Tischherr für Sie gewesen. Von Musik versteht er nicht viel, aber er ist ein charmanter Unterhalter. Und im Alter hätte er besser zu Ihnen gepasst als wir alle.«
Amelie hatte den Eindruck, dass er einen Kommentar zu diesem Neffen von ihr hören wollte. »Er lebt mit seiner Familie in Amerika, wenn ich mich recht erinnere«, sagte sie artig.
Bartenberg zog die Augenbrauen zusammen. »Familie…«, brummte er. Es klang ungehalten. Ein Augenblick des Missfallens bloß, gleich darauf lächelte er Amelie mit all seinem Charme zu. »Werden Sie mir die Freude machen, einmal zu einem Abendessen zu mir zu kommen?«, fragte er und freute sich sichtlich, als Amelie mit einer Antwort etwas zögerte. »In allen Ehren natürlich. Eine zwanglose kleine Abendgesellschaft, höchstens zehn Personen, keine Schreckschrauben darunter.«
Es war ein Uhr morgens, als der Hofrat sie vor dem Haustor absetzte. Zu spät für die Zadrazil. Spät auch für Amelie. Sie war müde, ließ ihre Kleider, wo sie gerade hinfielen, liegen, kletterte auf den Hängeboden, schlüpfte ohne Zwischenstopp im »Orient« unter die Decke und schlief augenblicklich ein. Irgendwann in der Nacht wachte sie auf, fand sich zu ihrem eigenen Erstaunen kerzengrade im Bett sitzen und laut sagen: »Gregor Freytag! Ich habe dich nicht vergessen!«
Am nächsten Morgen Punkt neun Uhr griff sie zum Telefon und wählte Gregors Nummer. Sie kannte sie inzwischen auswendig. Sie war weder nervös noch gespannt, weil sie nichts anderes als die Beatles und die Stimme am Tonband erwartete.
»Freytag!«
Es klang barsch, und Amelie widerstand dem Impuls, »Samstag!« zurückzublaffen. »Guten Morgen. Mein Name ist Amelie Lenz«, sagte sie. Ihre Stimme war ruhig, ihr Ton sachlich, und ihr Herz klopfte kein bisschen.
»Ja bitte?« Es hörte sich irgendwie misstrauisch an.
»Ich habe Ihre Gamaschen bei der Gräfin Böheimstetten gekauft und würde Sie gerne treffen, weil ich einige Fragen dazu habe.« Wenn sie die Sätze monatelang geprobt hätte, hätten sie nicht glatter und stotterfreier über ihre Lippen kommen können.
Der Mann am anderen Ende der Leitung schien kurz zu überlegen. Als er wieder sprach, klang das auf einmal fröhlich, schalkhaft, frech, als wäre statt seiner ein anderer am Telefon. »Sind Sie hübsch, Signora? Ich denke, Sie sind hübsch, Ihre Stimme klingt ganz danach. Ich liebe hübsche Frauen.«
Sie schaffte es nicht, auf seinen lockeren Ton einzugehen. ›Mach’s kurz, Amelie, je kürzer, desto besser.‹ »Es wird nicht lange dauern«, sagte sie nüchtern. »Hätten Sie heute irgendwann eine halbe Stunde Zeit?«
Freytag wurde ebenfalls sachlich. »Sorry, ich fahre übers Wochenende aufs Land. Montag vielleicht?«
»Gut, Montag. Passt Ihnen siebzehn Uhr, Café Landtmann?«
»Perfekt. Und wie werden wir uns erkennen? Soll ich eine weiße Nelke im Knopfloch tragen?« Seine Stimme lachte wieder.
Amelie blieb cool. »Nicht nötig. Ich werde eine Ihrer Gamaschen in der Hand halten.«
Jetzt lachte Gregor Freytag lauthals. »Ein bizarres Kennzeichen. Ich sehe unserem Rendezvous mit unglaublicher Spannung entgegen. Bis dann, Signora! Ciao!«
Sie legte auf und ließ sich auf einen Stuhl sinken. Ihre Knie und ihre Hände begannen unkontrollierbar zu zittern, ihre Herztätigkeit schien aus dem Stillstand zögernd wieder einzusetzen. Wie ein Frosch nach der Winterstarre, dachte sie und kicherte. Ihr Blut fing an zu kreisen, sie war plötzlich von wilder Freude erfüllt, sprang auf und begann, sich wie ein tanzender Derwisch zu drehen.
Der nächste Tag war ein Samstag. Sie machte blau. Sie lief in die Stadt und kaufte einen ungemein lässigen, figurbetonten, sandfarbenen Hosenanzug, den sie sich eigentlich nicht leisten konnte. Und weil’s eh schon Wurscht war, sprang sie über ihren Schatten und erwarb ungesund hochhackige, aber todschicke Schuhe noch dazu.
Am Sonntag fuhr sie mit dem Rad vier Stunden die Donau entlang und war abends derart müde, dass sie früh zu Bett ging und traumlos schlief.
Am Montag machte sie sich sorgfältig zurecht, als ginge sie zu ihrer
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