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Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Titel: Amelie und die Liebe unterm Regenschirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Molden
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nicht zu erklären. »Ich…ich habe nicht lange Zeit. Ich bin nur gekommen, um mir die Sachen anzusehen, von denen Sie gesprochen haben«, sagte sie und ärgerte sich, dass ihre Stimme heiser klang.
    »Komm mit!« Unbeirrbar blieb Gregor beim Du und ging ihr durch eine Flucht hoher, düsterer, abgewohnter Räume voran. Dunkelbraune abgestoßene Fenster und Türfüllungen, die das hereinfallende Sonnenlicht verschluckten. Vorhänge, die einst prächtig gewesen sein mochten, mit den Jahren aber zu verschossenen, traurigen Lappen verkommen waren. An den Wänden vergilbte Tapeten mit helleren Flecken da, wo früher Bilder gehangen hatten. Keine Möbel, keine Teppiche, glanzlos gewordenes Parkett, das unter Gregors nackten Füßen leise knarrte. Als hätte er Amelies Betroffenheit gespürt, erklärte er im Gehen: »Ich bin dabei, die Wohnung aufzulösen. Ich ziehe nach Mailand um. Beruflich…«
    Mailand versetzte Amelie einen Stich. »Für immer?«, fragte sie. Der leisen Panik in ihrer Stimme war sie sich nicht bewusst.
    Vor einer geschlossenen Türe blieb Gregor stehen, wandte sich um und sah sie abschätzend an. »Nein, nicht für immer. Ich habe einen Vertrag für zwei Jahre unterschrieben. Aber für mich als Junggesellen hat es keinen Sinn, die alte Bude hier zu behalten. Wenn ich nach Wien zurückkomme, suche ich mir ein schickes Penthouse.«
    »Was werden Sie in Mailand machen?«, unterbrach ihn Amelie.
    Versonnen sah er in ihre Augen, als hätte er die Frage gar nicht gehört. »Headhunter für einen italienischen Medienkonzern«, sagte er schließlich, drehte sich von ihr weg, öffnete die Tür und betrat, was selbst der ahnungsloseste Engel als Schlafzimmer bezeichnet hätte.
    Die Jalousien an den beiden Fenstern waren heruntergelassen. Sie stammten von anno dazumal, bestanden aus hölzernen Spaletten und tauchten den Raum in dünne Streifen Sonnenlicht und breite Schatten. Das Zimmer selbst war nicht ganz so groß wie die übrigen Räume, aber bis auf einen Schrank, einen alten Lehnstuhl und eine alles beherrschende Schlafstätte ebenfalls leer. Kein Bett im eigentlichen Sinne. Eigentlich nichts anderes als eine gewaltige, quadratische Matratze, die vor einem verstaubten offenen Kamin lag und einen Großteil des ungepflegten Parkettbodens barmherzig verdeckte. Das Bettzeug, so es eines gab, wurde dem Blick durch eine bunt gemusterte Tagesdecke entzogen. Das indezent anmutende Ensemble wurde von einem über dem Kamin geneigt angebrachten Spiegel in einem verschnörkelten Goldrahmen verdoppelt. Lustwiese hätte Hermann das genannt, schoss es Amelie durch den Kopf, und weil sie sich ärgerte, dass sie ausgerechnet jetzt an Hermann dachte, sagte sie ziemlich barsch: »Also, Herr Freytag, wo sind die Sachen, die Sie mir zeigen wollten!«
    Er grinste verschmitzt. »Der Puppenwagen muss auf dem Dachboden sein, ich hatte noch keine Zeit nachzusehen. Aber vielleicht interessieren dich alte Kinderbücher.« Er deutete auf den Kaminsims.
    Amelie zögerte. Eine innere Stimme sagte ihr, dass ein würdevoller Rückzug in dieser Situation das einzig Mögliche sei. Stattdessen trat sie an den Kamin. Die Matratze ließ ihr nicht viel Raum, sie musste höllisch darauf achten, sich mit dem Absatz ihres Schuhs nicht in der Tagesdecke zu verfangen. Nicht auszudenken, wenn sie vor Gregors Augen in dessen Bett plumpsen würde.
    Auf dem Sims lag ein Stapel abgegriffener Bücher. In der Heimat der Blumen und Hannerl in der Pilzstadt von Annelies Umlauf-Lamatsch, drei Kasperle-Bücher von Josephine Siebe und Der kleine Häwelmann von Theodor Storm. Titel, die Amelie vertraut und lieb waren, sie hatte sie als Kind aus dem Besitz ihrer Mutter übernommen und bis zur Bewusstlosigkeit gelesen. Seltsam berührt schlug sie den Häwelmann auf. »Alma Freytag« stand in unbeholfener Kinderschrift auf der leeren Schmuckseite vor dem Titelblatt. In diesem Augenblick streifte Gregors Atem ihre Wange.
    Wie eine Katze musste er sich angeschlichen haben. Jetzt stand er so dicht hinter ihr, dass sie die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, deutlich spürte. ›Wenn ich mich umdrehe, muss ich ihn berühren.‹ Der Gedanke machte sie hilflos und zittrig. Starr wie eine Latte stand sie da, während ihre Knie langsam zu Pudding wurden. Sie verlor jeden Zeitbegriff, bis sie schließlich nichts mehr wahrnahm als die Nähe des Mannes.
    Auf diesen Moment schien Gregor gewartet zu haben. Er berührte ihr Haar, hob es im Zeitlupentempo und küsste ihren

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