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Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Titel: Amelie und die Liebe unterm Regenschirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Molden
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Hochzeit. Um den neuen Hosenanzug nicht zu strapazieren, dekorierte sie die Auslage nicht, sondern ließ August einfach darin sitzen. Das schien ihr dann doch zu lieblos. Gerade heute. Also lief sie zum Iraker, kaufte ihm ein Töpfchen mit weißen Tulpen ab und stellte es dem Bären zwischen die Pfoten.
    Als sie den Laden um 16.30 Uhr zusperren wollte, läutete das Telefon. Ich gehe nicht dran, dachte sie und war schon auf dem Weg zur Tür, als ihr einfiel, dass es Gregor sein könnte: vielleicht um abzusagen?
    Es war nicht Gregor – sondern Uli. Er habe Sehnsucht nach ihr, in Berlin gebe es niemanden, mit dem er reden könne. Er klang gedrückt, aber Amelie war in Gedanken schon im Café Landtmann. Sie fragte ihn nicht, ob etwas nicht in Ordnung sei, sie sagte. »Sei nicht böse, Uli, ich bin in Eile, ich muss weg.« Und weil ihr das schließlich doch zu dürftig schien, fügte sie hinzu: »Es ist nämlich etwas im Laufen. Was es ist, kann ich dir aber erst sagen, wenn’s gelaufen ist.«
    Sie hatte sich vorgenommen, zehn Minuten nach siebzehn Uhr im Landtmann aufzutauchen, ›über den Dingen stehen und so‹. Aus Angst, Gregor könne sie suchen, nicht finden und wieder gehen, war sie jedoch schon fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit im Café. Sie stand auf der Terrasse und sah sich suchend um. Rückendeckung, sie brauchte einen Tisch mit Rückendeckung und freier Sicht. Der dort drüben, ja, ein bisschen sehr im Eck, dafür an der Hausmauer. Sobald sie saß, nahm sie eine der Gamaschen aus einer Papiertasche und legte sie vor sich auf den Tisch. Die Papiertasche war schick, lange hatte Amelie in ihrem Vorrat gewühlt, um eine zu finden, die schick war und zum neuen Hosenanzug passte. Die Gamasche hingegen machte sich miserabel auf dem Caféhaustischchen. Deplatziert. Wie das falsche Requisit im richtigen Akt. Amelie legte sie auf den Stuhl. Nein, nicht gut, da war sie kaum zu sehen, wieder rauf auf den Tisch…Und just da fiel Gregor Freytags Schatten auf Amelie und diesen Überschuh.
    Zuerst nahm sie sein Gebiss wahr. Ebenmäßig, weiß, glänzend, umrahmt von einem betörend vollen Mund. Der Mund lächelte. »Ich wusste, dass Sie hübsch sind«, sagte er. Helle Augen, auffallend schwarze Wimpern, dunkle Brauen, brünettes, welliges Haar, das bis in den Nacken reichte. »Schade, dass Sie stumm sind«, sagte die helle, kecke Stimme, die Amelie vom Tonband vertraut war. »Darf ich?« Er ließ sich ihr gegenüber in einen Stuhl fallen, griff nach der Gamasche und drehte sie in seinen wendigen, langfingrigen Händen wie ein Taschenspieler. Mit einem Hauch von Unverschämtheit fixierte er Amelie, die ihn wortlos anstarrte. Die Situation schien ihn zu erheitern. »Werde ich jemals erfahren, was Sie so brennend an Urgroßvaters Gamaschen interessiert?«, seufzte er betont theatralisch und setzte ein Lächeln von jungenhaftem Charme oben auf. Amelies stumme Spannung löste sich, ihre Brauen segelten aufwärts, und sie begann ebenfalls zu lächeln. Gregor Freytag schluckte. »Madonna, was für Augen«, sagte er ergriffen.
    Am Abend desselben Tages konnte Amelie sich nicht mehr erinnern, wie das eigentliche Gespräch mit Gregor in Gang gekommen war. Jedes Detail seines erstaunlich glatten Gesichts, seiner schlaksigen Gestalt, seiner dezent modischen Kleidung war ihr im Gedächtnis geblieben. Aber den Anfang ihres Gesprächs hatte eine Gedächtnislücke verschluckt. Sie wusste nur, dass sie zu irgendeinem Zeitpunkt krampfhaft nach einem Märchen gesucht hatte, das sie ihm hätte auftischen können, um ihr Interesse an den Gamaschen zu erklären. Und dass sie, als ihr keines einfiel, einfach aus der Hüfte geschossen hatte. »Bitte«, hatte sie gesagt und noch einmal, »bitte! Haben Sie die Gamaschen jemals getragen?«
    »Nein, ich wüsste nicht…«, sagte er und stockte, als er jähe Enttäuschung im Gesicht der Frau las. Er tat, als denke er scharf nach, schlug sich auf die Stirn und rief leise: »Aber ja! Ich habe sie doch einmal getragen!«
    »Wann?«, stieß Amelie hervor.
    Er überlegte kurz. »Es war elendes Wetter…«
    »War es im letzten November?«, fragte Amelie atemlos.
    Gregor sah in ihr erwartungsvolles Gesicht. »November…? Ja, Sie haben Recht, es war November.«
    »Können Sie sich erinnern, ob sie damals über den Ballhausplatz gegangen sind?«
    Einserfrage, lächelte er in sich hinein. »Warten Sie, Ballhausplatz…doch, natürlich, es war elendes Wetter, deshalb hatte ich die Gamaschen an, und ich

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