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América

América

Titel: América Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Cocktailparty anziehen? Delaney drückte das Gesicht ins Handtuch, tapste barfuß ins Schlafzimmer und wühlte sich durch seinen Kleiderschrank. Das hier war schließlich Kalifornien - man konnte in hüfthohen Stiefeln und mit Zylinderhut herumlaufen, und keiner sähe zweimal hin. Er entschied sich schließlich für eine sackartige weiße Baumwollhose und ein kurzärmliges Sporthemd, das ihm Kyra gekauft hatte. Streifen mit weißen und burgunderroten Karos zogen sich über seine Brust und Schultern, und in jedem roten Karo sprangen, trabten und tänzelten kleine weiße Jockeyfiguren durch eine Serie von obskuren Aufwärmübungen. Es war durch und durch kalifornisch.
    Zwei Uhr nachmittags, bei Dominick Flood hatten sich an die hundert Leute eingefunden, die über den Tischen im Garten aufgespannten Sonnenschirme knatterten im Wind. Unter der Markise, die die Bar im Innern des Hauses in Halbdunkel tauchte, war ein Streichquartett stationiert, und die Markise knatterte ebenfalls. Die meisten Gäste drängten sich an der Bar, wo zwei Männer in Smoking und roter Krawatte mit professioneller Gewandtheit mit den Flaschen hantierten. Links von der Bar, entlang der Wand, stand ein langer Tisch, auf dem sich genügend Köstlichkeiten für sechs Thanksgiving-Festessen türmten, darunter ein ganzes Spanferkel mit einer Mango im Maul und frisch gekochte Hummer, umringt von vielfarbigen Platten mit Sashimi und Sushi. Dominick selbst, in einem strahlend weißen Leinenanzug, der an den Knöcheln leicht ausgestellt war, um die kleine schwarze Leihgabe des Haft-im-eigenen-Heim-Programms von Los Angeles zu verhüllen, erwartete sie an der Tür, begrüßte alle Gäste, ein langstieliges Glas in der Hand. Delaney manövrierte Kyra und ihre Mutter durch die Menschenmenge, um sie vorzustellen.
    »Ahh, Delaney!« rief Dominick aus und ergriff theatralisch seine Hand, während er sich bereits Kyra und ihrer Mutter zuwandte. »Und das muß Mrs. Mossbacher sein? Und ...?«
    »Kit«, half ihm Kyras Mutter aus und schüttelte Flood die Hand, »Kit Menaker. Ich bin gerade zu Besuch aus San Francisco.«
    Hier setzte das Streichquartett ein, es sägte sich harsch in etwas Modernes, Mißtönendes hinein, die Gesichter der Musiker verzerrten sich gegen das Brausen des Windes und das desinteressierte Geplauder der Partygäste, und Delaney blendete die Unterhaltung aus. Kyras Mutter, fünfundfünfzig, blond und geschieden, mit Kyras Nase, Kyras Beinen und einer leicht übertriebenen Art, sich selbst bemerkbar zu machen, war die koketteste Frau, die Delaney je kennengelernt hatte. Wie eine Liane schlang sie sich um Dominick Flood, dessen Junggesellenstatus sie auf beunruhigend übersinnliche Weise zu wittern schien, und sie würde ihn garantiert zu ihrer kleinen Dinnerparty einladen, um sich daraufhin desillusioniert und vielleicht auch leicht schockiert von der schwarzen Fessel an Floods Fuß zu zeigen. Obwohl das natürlich ihren Appetit nur steigern würde. »Ja«, hörte er Kyra sagen, »aber damals war ich ja noch ein kleines Mädchen«, und Kit fiel mit einem hohen, atemlosen Gekicher ein, das wie ein Kriegsruf klang.
    Delaney entschuldigte sich und wanderte in Richtung des Büffets, wo er dieses und jenes probierte - bei einem Bissen ahi -Thunflsch oder einer pikant zubereiteten Kammuschel konnte er nie widerstehen, wenn sie gut waren, und dieses Büffet war sehr gut, vom Feinsten -, hielt sich aber angesichts des bevorstehenden Festessens zurück. Er lächelte ein oder zwei Leuten zu, die er nicht kannte, murmelte eine Entschuldigung, als er vor dem Ferkelkadaver eine Frau anrempelte, wechselte ein paar Worte über das Wetter und sah dem Barkeeper zu, der ihm ein Bier zapfte, aber er war nervös. Er stellte sich vor, wie der Truthahn in Brand geriete, die Kartoffeln derartig verkochten, daß sie sich anfühlten wie nasser Beton, Jordan sich langweilte und Orbalina mit ständigen Wünschen nach Kakao, Pudding, Nudelsuppe oder einem Glas Saft nervte. Und ihre Gäste. Bisher hatte er weder die Jardines noch die Cherrystones gesehen (obwohl er Jack Cherrystones dröhnenden basso profundo irgendwo im Garten hörte), aber er war sicher, daß sie sich hier den Bauch vollschlagen und beim Abendessen den Teller von sich schieben würden. Delaney hatte wenig Talent darin, sich zu amüsieren, nicht in Situationen wie dieser; einen Augenblick lang stand er mitten im Gedränge reglos da, holte tief Luft, ließ die Schultern nach unten sinken und schüttelte

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