América
hielt ihn immer noch umfangen, aber ohne jede Leidenschaft - jedenfalls nicht die Sorte Leidenschaft, auf die er sich gefreut hatte. Wieder ein Seufzer. »Ein Stück von ihm. Genauer gesagt, seine Vorderpfote. Die linke.«
Sie schnappte hörbar nach Luft - als hätte sie sich verbrannt oder mit einer Nadel gestochen -, dann stieß sie ihn von sich und rollte unter ihm weg. Ehe er wußte, was geschah, stand sie vor ihm, starr vor Wut. »Ich hab's doch gewußt! Du hast mich angelogen.«
»Ich habe nicht gelogen, ich wollte nur ...«
»Wo ist es?«
Die Frage überrumpelte ihn. »Was meinst du?«
»Die -« ihre Stimme versagte, »- was von ihm übrig ist.«
Er hatte getan, was er konnte. Am Morgen hätte er es ihr so oder so sagen müssen. »In der Tiefkühltruhe«, sagte er.
Und dann stand er nackt in der Küche und sah zu, wie seine Frau in die bleich schimmernden Tiefen der Kühltruhe spähte, ihr Neglige ein irrealer Schleier im Schein des kalten Lämpchens. Er wollte sich an sie schmiegen, aber sie schob ihn ungeduldig beiseite. »Wo?« forderte sie. »Ich sehe nichts.«
Mit kläglicher, leiser Stimme: »Dritte Schublade, hinter den Erbsen. Hab sie in Folie eingewickelt.«
Er sah zu, wie sie behutsam in den bunten Plastiktüten mit Gemüse stöberte, bis sie es endlich fand: den unscheinbaren Klumpen aus Haar, Knochen, Knorpel und Muskel, der in seinem transparenten Totentuch steckte wie eine Hühnerkeule. Sie hielt die Pfote in der Hand, warf ihm einen gefühlsschwangeren Blick zu, und der kalte Dunst aus der Gefriertruhe umwehte geisterhaft ihre nackten Beine. Delaney wußte nichts zu sagen. Irgendwie fühlte er sich schuldig, haftbar, als hätte er den Hund selbst umgebracht, als hätte das Ganze mit Fleischlichkeit und Lust zu tun, mit dem Abschütteln von jeder Pflicht und Verantwortung, und dennoch war die Szene zugleich ungeheuer erotisch. Unwillkürlich bekam er einen Ständer. Doch in diesem Moment - Kyra stand benommen vor der scheinbar atmenden Kühltruhe, der fahle Lichtkeil aus der offenen Tür bannte ihre zitternden Schatten auf die Küchenwand - hörten sie das leise Geräusch von Hundekrallen auf gebohnertem Parkett, und Osbert, der Überlebende, steckte hoffnungsvoll den Kopf zur Tür herein.
Es war eindeutig zuviel für Kyra. Das Überbleibsel verschwand wieder in den Tiefen der Gefriertruhe zwischen Erbsen, Zuckermais und Pommes frites, und die Tür knallte zu, so daß alles Licht erlosch.
Mit langem Gesicht verkaufte man keine Grundstücke, und man brachte auch keinen ordentlichen Vertrag zustande, wenn man sich morgens nur mit Mühe aus dem Bett quälte - schon gar nicht in diesem Geschäft. Das brauchte Kyra niemand zu sagen. Sie war die geborene Maklerin - Medium, enthusiastische Einpeitscherin, Verführerin und Psychoanalytikerin zugleich -, und normalerweise verlor sie nie die Begeisterung, ganz egal, wie klein die Transaktion war und zum wievielten Mal sie dieselbe langweilige Prozedur wiederholte. Aber irgendwie gelang es ihr nicht, die Energie dafür aufzubringen. Nicht heute. Nicht nach dem, was mit Sacheverell passiert war. Es war erst elf Uhr vormittags, und sie fühlte sich so abgekämpft und ausgelaugt wie nie zuvor im Leben. Ständig mußte sie an die gefrorene Pfote in der Kühltruhe denken, und jetzt wünschte sie auch, sie hätte Delaney mit seinem kleinen Täuschungsmanöver gewähren lassen. Er hätte das Beweisstück am nächsten Tag begraben, und sie hätte es nie genau gewußt - aber nein: sie hatte es unbedingt mit eigenen Augen sehen müssen, und der Anblick der kleinen Pfote mit den perfekten kleinen Krallen war ein Schock, der sie die halbe Nacht wachhielt.
Als sie schließlich doch eindöste, wurden ihre Träume von wolfsartigen Schemen und Bildern der Jagd heimgesucht, von gebleckten Reißzähnen, huschenden Gliedmaßen und einem Kreis aus heimtückischen Schnauzen, die sich in urtümlichem Triumph zum Himmel reckten. Sie erwachte vom Winseln Osberts, und als erstes packte sie die Wut. Wut über den Verlust, über die Widrigkeiten der Natur, über die Jagd- und Fischerei- oder Tierschutzbehörde oder wie immer die hießen, über den blöde grinsenden schmerbäuchigen Clown, der ihnen den Zaun gezogen hatte - wieso hatte der bei zwei Metern Schluß gemacht? Wieso nicht zweieinhalb? Oder drei? Als die Wut verflogen war, lag sie im bleichen Morgengrauen da und streichelte den vertrauten weichen Flaum hinter den Ohren des Hundes und ließ sich von ihrem Kummer
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