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América

América

Titel: América Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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niederkauern, aber der Krampf ging vorbei. Er stand auf und watete in den Bach hinein, um ein paar von ihren Sachen zu retten, und da erst bemerkte er das Abschiedsgeschenk der beiden, die auf die Felsen gesprühte Botschaft, von der die Farbe wie Blut herunterrann. Es waren ungelenke Buchstaben und die Worte Englisch, doch ihre Bedeutung war nicht mißzuverstehen:
    Tod allen Bohnenfressern

5
    Delaney konnte nicht lange schlecht gelaunt sein, nicht draußen im Freien, wo die Nacht sich an ihn schmiegte, die Zikaden dröhnten und der laue Wind vom Pazifik die Hügel heraufblies, um die Hitze des Tages zu vertreiben. Sogar Sterne waren zu sehen, hier und da kämpften sich ein paar Pünktchen durch den Dunst des Lichtersmogs, der im Osten und im Süden die Ränder der Nacht gelb verfärbte, als wäre ein ganzes Stück der Welt ranzig geworden. Im Norden und Osten lag das San Fernando Valley, eine einzige endlose Ebene aus parallelen Boulevards, Einfamilienhäusern, Mini-Einkaufszentren und Straßenlampen, und im Süden erstreckte sich, ad infinitum, der Rest von Los Angeles. In Arroyo Blanco gab es keine Straßenlampen - das war eine der Annehmlichkeiten, ein Anflug von Landleben, das Gefühl, daß man irgendwie fern der Stadt und den Bergen verbunden war -, und Delaney vermißte sie nie. Auch eine Taschenlampe trug er nicht bei sich. Er mochte es, durch die dunklen Straßen zu gehen; seine Augen gewöhnten sich an die Schatten und Schemen der Welt, wie sie wirklich war, und er genoß, wie sich ohne Kunstlicht und das allgegenwärtige Brausen des städtischen Lärms die Nacht anfühlte. Als ihn der Spaziergang beruhigt hatte, konnte er ein plötzliches Herzklopfen nicht unterdrücken, als er beim Haus der Dagolians vorbeikam - gedankenlose Dummköpfe waren das -, und dann bog er in den Piñon Drive ein, und die Last in seiner Anoraktasche wurde ihm wieder bewußt. Sein Haus lag am Ende des Piñon Drive, einer Sackgasse, die die äußerste Grenze darstellte, bis zu der die Vorstadt vorgedrungen war, und das Sirren der Zikaden erschien hier lauter, die Dunkelheit intensiver.
    Wie um dies zu bestätigen, stieß in diesem Moment eine große Sumpfohreule in den Bäumen hinter ihm ihren leisen Ruf aus. Irgendwo sprang zischend ein Rasensprenger an. Hoch über ihm zog ein Jet, der vom Flughafen Los Angeles aufstieg, einen Riß durch den Himmel. Delaney hatte sich gerade wieder etwas beruhigt, als plötzlich ein Wagen aus dem Robles Drive in die Straße einbog und mit seinen grellen Scheinwerfern die Nacht vertrieb. Er sah über die Schulter, blinzelte in das Licht und ging weiter.
    Der Wagen rollte kaum merklich vorwärts. Sein Auspuff bullerte bedrohlich, all die mühsam in Schach gehaltenen Pferdestärken, und hinter den geschlossenen Fenstern hämmerte dumpfe Rap-Musik - von Text, Instrumenten oder Melodie war nichts erkennbar, nur tiefes Wummern. Delaney ging weiter, erneut ziemlich gereizt. Wieso konnten die nicht vorbeifahren und die Nacht wieder über ihn heraufziehen lassen? Wieso hatte er nie eine Minute Ruhe, nicht einmal in seiner eigenen Wohngegend?
    Der Wagen zog langsam mit ihm gleich, und er sah jetzt, daß es irgendeine amerikanische Marke war, ein älteres Modell, ein Riesenschiff mit aufgemotzten Spezialfeigen und aufwendiger Metallic-Lackierung. Durch die getönten Fenster konnte er nichts erkennen. Was wollten diese Leute - eine Auskunft? Kein Gesicht zeigte sich. Niemand fragte irgend etwas. Delaney fluchte halblaut und ging ein bißchen schneller, aber der Wagen schien neben ihm herzuschweben - die Lautsprecher im Innern sogen alle Geräusche auf und pumpten sie dann wieder hinaus, ka-wumm, ka-wumm, ka-wumm. Der Wagen schien eine halbe Ewigkeit neben ihm herzufahren, dann beschleunigte er allmählich, erreichte das Ende der Straße, wendete dort und rollte langsam wieder auf Delaney zu - ka-wumm, ka-wumm, ka-wumm -, und diesmal schienen ihm die Scheinwerfer, immer noch auf Fernlicht gestellt, direkt in die Augen. Delaney ging weiter, und der Wagen glitt an ihm vorbei, bis schließlich nur noch ein Paar Rücklichter zu sehen war, das wieder in den Robles Drive einbog. Erst als Delaney im Haus war und die Tür hinter sich verschlossen hatte, packte ihn die Angst.
    Wer fuhr um diese Zeit mit einem solchen Auto hier oben herum? Er dachte an die Versammlung, an den ernsten dicken Mann und seine Litanei der Klagen, diesen Überbringer schlechter Nachrichten, die Kassandra von Arroyo Blanco. Waren es

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