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América

América

Titel: América Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Einbrecher? Räuber? Eine Bande von Vergewaltigern? Waren es solche Typen? Während er in die Küche ging und verstohlen Sacheverells Vorderpfote in der Kühltruhe unter einer Packung gefrorener Zuckererbsen verstaute - morgen würde er sie beerdigen, nachdem Kyra zur Arbeit gefahren war -, mußte er die ganze Zeit über das Tor nachdenken. Hätten sie so ein Tor, wäre dieses Auto nicht dagewesen, und wer weiß, was ihm eben beinahe geblüht hätte - verprügelt, ausgeraubt, umgebracht zu werden? Er goß sich einen Orangensaft ein und kostete von den überbackenen Makkaroni, die Jordan vom Abendessen auf dem Teller übriggelassen hatte. Und dann sah er, daß im Schlafzimmer Licht brannte: Kyra wartete auf ihn.
    Er spürte, wie es sich in seinen Lenden regte. Es war kurz vor elf, und normalerweise ging sie um halb zehn schlafen. Das konnte nur eins heißen: sie kuschelte sich in einem der fließenden Seidenteddys, die er ihr zu Weihnachten für genau diese Gelegenheiten geschenkt hatte, in die Kissen und las Erotika von Anaïs Nin oder blätterte in einem der illustrierten Sexratgeber, die sie in einer Schachtel unter dem Bett aufbewahrte - und wartete lüstern. Die kleinen Tragödien des Lebens, die eingerissenen Dämme der Gefühle schienen irgendwie ihre Libido zu entfesseln. Für Kyra war Sex etwas Therapeutisches, ein Abreagieren von Kummer, Sorgen und Spannungen, und in Augenblicken emotionaler Belastung überließ sie sich ihm wie andere dem Alkohol oder Drogen - und warum sollte Delaney etwas dagegen haben? Während der Gallenblasenoperation ihrer Mutter war sie ganz besonders leidenschaftlich gewesen, und er wußte noch genau, wie er das Hotelzimmer, das sie gleich gegenüber dem Krankenhaus gemietet hatten, am liebsten nie mehr verlassen hätte - es waren praktisch ihre zweiten Flitterwochen gewesen. Auch kleinere Mißlichkeiten erregten sie - wenn irgendein Nachbar sein Haus von einer anderen Maklerfirma veräußern ließ, wenn sie an ihrem Lexus einen Kratzer entdeckte, wenn Jordan mit Grippe im Bett lag oder eine Hautallergie hatte. Wie sich der Tod eines ihrer Hunde auswirken würde, konnte sich Delaney nur ansatzweise vorstellen.
    Er betrat das Zimmer mit bis zum Gürtel aufgeknöpftem Hemd, zu allem bereit. Es war genau so, wie er es sich ausgemalt hatte: sie lag in den aufgeschüttelten Kissen, Seide schmiegte sich um ihre Brüste, und ihre feuchten Augen drückten Lust aus, als sie den Blick von ihrem Buch hob. »Wie war die Versammlung?« flüsterte sie.
    Gebannt sah er zu, wie sie die schlanken braungebrannten Beine aus dem Bett schwang, das Buch auf den Nachttisch legte und das Leselicht ausknipste, so daß ihnen nur noch das sinnliche Flackern einer Duftkerze blieb. »Die Versammlung?« wiederholte er, und auch er flüsterte, ohne es eigentlich zu wollen. »Nichts Besonderes. Das Übliche.«
    Und jetzt war sie auf den Beinen, schlang ihm die Arme um die Schultern, ihr Körper preßte sich gegen seinen. »Aber ich dachte -« ihre Stimme heiser und dünn, »ich dachte, sie würden diskutieren ... über das ... das Tor und so?«
    Ihr Mund war warm. Er drückte sich an sie wie ein Teenager beim Tanzen, kein Gedanke mehr an Tore, Coyoten, Hunde oder Mexikaner. Sie kuschelte sich an ihn, dann wich sie zurück, setzte sich auf den Bettrand und fingerte an seinem Reißverschluß. Nach längerer Pause raunte er: »Stimmt schon ... und du weißt ja, was ich davon halte, aber ...« Und obwohl ihm die Hose auf die Knöchel hinabgerutscht war, obwohl sie sich küßten und er sie durch die fließende schwarze Seide streichelte, mußte er plötzlich an den Wagen denken, an diese dumpf bullernde Bedrohung und daran, wie der Vorfall seine Ansichten zu bewachten Wohnanlagen, öffentlich zugänglichen Plätzen und das demokratische Recht auf freien Zugang revidiert hatte ... Er schob die Seide an ihrem Oberschenkel hinauf. »Inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher.«
    Sie war feucht. Er versank in ihr. Die Kerze ließ unruhige Schatten auf den Wänden tanzen. »Armer Sacheverell«, hauchte sie, und dann erstarrte sie auf einmal. Ihre Augen, nur wenige Zentimeter von seinen entfernt, klappten auf. »Er ist tot, stimmt's?«
    Eben noch Bewegung und Wärme und sanfte, köstliche Reibung, und jetzt aber abrupter Stillstand. Was sollte er sagen? Er versuchte sie zu küssen, doch sie stieß seinen Mund weg. Seufzend sagte er: »Ja.«
    »Sicher?«
    »Sicher.«
    »Du hast ihn gefunden, ja? Sag's mir. Schnell.«
    Sie

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