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América

América

Titel: América Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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klaffte auseinander, das Verkäuferlachen ertönte, und Delaney stellte sich vor, wie abgrundtief zuwider dieses Lachen den anderen Verkäufern sein mußte, gar nicht zu reden von den Sekretärinnen, dem Verkaufsleiter und Kenny Grissoms Frau, falls er eine hatte. Auch Delaney war es zuwider. Aber er unterschrieb die Papiere, bekam seinen Wagen, und nachdem Kenny ihm die Schlüssel ausgehändigt, auf die Schultern geklopft und die Geschichte von der Frau erzählt hatte, der es gelungen war, auf der kurzen Strecke über den Platz zwei brandneue Wagen zu Schrott zu fahren, saß Delaney lange in seinem neuen Acura, gewöhnte sich an die Sitze, den Neuwagengeruch und die feinen Unterschiede zwischen diesem Modell und dem alten, das ihm vertraut gewesen war. Kleine Dinge, aber sie brachten ihn unverhältnismäßig in Rage. So saß er da und schwitzte, ackerte entnervt die Betriebsanleitung durch, obwohl er für seine Verabredung zum Mittagessen mit Kyra schon zu spät dran war. Schließlich legte er den Gang ein und lenkte das Auto vorsichtig durch den Verkehr, fuhr nur auf asphaltierten Straßen, nahm jeden Tempowechsel sehr schonend vor und beschleunigte nie über achtzig, genau wie die Anleitung es vorschrieb.
    Er fuhr zweimal um den Block in Woodland Hills, an dem indischen Restaurant vorbei, wo er mit Kyra verabredet war, aber um diese Zeit konnte man nirgends parken: zur Mittagszeit war Hochbetrieb. Der Parkplatzwächter war natürlich Mexikaner - Chicano, Latino, was auch immer -, und in seinem fabrikneuen Wagen, erst zweiundsechzig Kilometer auf dem Tacho, saß Delaney reglos da, angeschnallt, die Hände auf dem Lenkrad, bis der Fahrer hinter ihm hupte und der Parkplatzwächter - er war noch ganz jung, achtzehn, neunzehn, glänzende schwarze Augen, eilfertiger Blick - fragte: »Sir?« Und dann stand Delaney draußen in der Sonne, mit durchgeschwitztem Hemd, wieder ein Vormittag verpatzt, und sein neuer Wagen verschwand mit quietschenden Reifen um die Ecke des Gebäudes, außer Sicht. Diesmal hatte er kein persönliches Kennzeichen, nur eine wahllose Kombination aus Buchstaben und Ziffern, an die er sich nicht mehr erinnerte. Er war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Ein Bier, dachte er, und betrat die dunkle Kühle des Restaurants durch den hinteren Eingang, nur ein Bier. Zum Feiern.
    Das Lokal war brechend voll, Geschäftsleute saßen vor Tellern mit tandoori -Hühnchen, Hausfrauen schnatterten vor hauchdünnen Tassen mit Darjeeling oder Kaffee, Kellner schwirrten herum, Stimmengewirr in allen Tonlagen. Kyra saß an einem Tisch am Fenster, mit dem Rücken zu ihm, ihr Haar auf dem Kopf aufgetürmt wie buschige blasse Federn. Eine Flasche Perrier stand auf dem Tisch vor ihr, dazu ein naan -Brot und eine Kristallschale mit Zitronen-Pickle und Mango-Chutney. Sie beugte sich über einen Stapel Papiere, arbeitete.
    »Warum kommst du so spät?« fragte sie, als er sich ihr gegenübersetzte. »Irgendwelche Probleme?«
    »Nein«, murmelte er und versuchte den Blick des Kellners aufzufangen. »Ich mußte langsam fahren, sonst nichts - du weißt doch, einen neuen Motor muß man schonen.«
    »Haben sie dir den Preis gemacht, den wir ausgehandelt hatten? Keine Tricks in letzter Minute?« Jetzt sah sie von ihren Papieren auf, fixierte ihn mit durchdringendem Blick. Über ihr Gesicht fiel ein Streifen Sonnenlicht, das die Farbe aus ihren Augen vertrieb, so daß sie fast durchsichtig erschienen.
    Er schüttelte den Kopf. »Keine Überraschungen. Alles in Ordnung.«
    »Also, wo steht er? Kann ich ihn sehen?« Sie blickte auf die Uhr. »Um halb zwei muß ich wieder los. Ich hab einen Termin in Arroyo Blanco - auf der Dolorosa -, und dann, weil ich ohnehin schon dort bin, werde ich kurz bei uns vorbeifahren und nachsehen, ob die mit dem Zaun keinen Mist bauen ...«
    Sie hatten sich vom Baukomitee der Arroyo-Blanco-Eigentümergesellschaft eine Genehmigung für die Änderung der Zaunhöhe in ihrem Garten besorgt, als direkte Konsequenz aus dem Schicksal, das den armen Sacheverell ereilt hatte, und nun ließen sie den Maschendrahtzaun um weitere sechzig Zentimeter erhöhen. Kyra hatte Osbert seit dem Überfall nicht mehr allein hinausgelassen und bestand darauf, ihn selbst vor und nach der Arbeit auszuführen. Die Katze durfte überhaupt nicht mehr aus dem Haus. Sobald der Zaun fertig war, würde sich die Lage wieder normalisieren. Jedenfalls hofften sie das.
    »Ich hab den Wagen hinten parken lassen«, sagte er, »der Junge

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