América
hat ihn abgestellt.« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht nach dem Essen, wenn du noch ...« Er beendete den Satz nicht. Eigentlich wollte er ihr sagen, wie wütend er war, und daß er überhaupt kein neues Auto hatte haben wollen - das alte hatte kaum dreißigtausend Kilometer drauf gehabt -, wie deprimiert und entmutigt er sich fühlte, als ob sein Glück ihn verlassen hätte und er in einem unsichtbaren Loch versänke, das mit jeder Stunde des Tages einen Zentimeter tiefer wurde. Einen kurzen Moment lang, als er draußen gestanden und dem jungen Latino die Schlüssel gegeben hatte, war er von dem zutiefst beschämenden Impuls einer rassistischen Wut durchzuckt worden - mußten sie denn alle Mexikaner sein? -, die sämtlichen Überzeugungen widersprach, die er sein Leben lang gehegt hatte. Davon wollte er ihr erzählen, vor allem davon, aber er konnte es nicht.
»Ich stehe gleich da vorn«, sagte sie, und sie sahen beide aus dem Fenster und zum Bordstein, wo Kyras mitternachtsblauer Lexus unbehelligt parkte.
Dann tauchte der Kellner auf, ein feister Mann mit schütterem Haar, der im trällernden Singsang des indischen Subkontinents sprach. Delaney bestellte ein Bier - »Um mein neues Auto zu feiern«, erläuterte er säuerlich, als Kyra die Stirn runzelte - und bat um die Karte.
»Sehr gerne«, gab der Kellner zurück, und seine Augen schienen in ihren Höhlen herumzukugeln, »aber die Dame hat ...«
»Ich hab uns schon was bestellt«, unterbrach ihn Kyra und legte Delaney eine Hand auf den Arm. »Du hast dich verspätet, und ich muß gleich wieder weg. Ich habe uns ein vegetarisches Curry mit einem kleinen Salat bestellt und ein paar samosas als Vorspeise.«
Daran gab es nichts auszusetzen, aber Delaney war verdrossen. Es ging nicht um das Mittagessen - inzwischen war ihm völlig egal, was er aß -, sondern um den Anlaß. Er war kein Materialist, eigentlich nicht, und er kaufte nie etwas unüberlegt, aber wenn er etwas Größeres erwarb, fühlte er sich gut, optimistisch, was ihn selbst anbelangte, die Zukunft des Landes und den Zustand der Welt. Das war die amerikanische Lebensweise. Kauf etwas. Fühl dich gut. Aber er fühlte sich nicht gut, ganz und gar nicht. Er fühlte sich wie ein Opfer.
Kyra drängte ihn beim Essen, und er trank sein Bier - eine dieser übergroßen indischen Flaschen - zu rasch, so daß er sich auf dem Parkplatz in der prallen Sonne etwas schwummerig fühlte. Er reichte einem der heransprintenden schlanken Mexikaner in leuchtendroten Westen seinen Parkschein und sah zum Dach des Restaurants empor, wo eine Reihe von Staren erwartungsvoll auf ihn hinabstarrte.
»Ich werf nur einen kurzen Blick drauf«, sagte Kyra, klemmte sich die Handtasche unter den Arm und beugte sich vor, um in ihrer Aktentasche zwischen den Papieren zu kramen, »dann muß ich los.«
In diesem Augenblick hörten sie den Hund bellen, ein gedämpfter, heiserer, blaffender Ton, der gleichzeitig von überall und nirgends zu kommen schien. Gebell. Es war merkwürdig. Delaney suchte beiläufig die Fenster des Wohnhauses ab, das sich direkt hinter den geparkten Autos erhob, und erwartete, irgendwo dort oben einen Hund zu entdecken, dann sah er sich um, auf den leeren Weg, die Töpfe mit Begonien, ein Paar, das gerade das Restaurant verließ. Ein Auto fuhr lärmend auf der Straße vorbei. Kyra sah von ihrer Aktentasche auf, legte den Kopf schief und horchte. »Bellt hier irgendwo ein Hund?«
»Sehen Sie nur, das arme Ding«, sagte eine weibliche Stimme hinter ihnen mitfühlend. Kyra drehte sich zu ihr um und sah, wohin die Frau deutete: am Ende der Reihe von geparkten Autos stand ein grüner Jeep Cherokee, ein Fenster einen winzigen Spalt weit geöffnet, und in diese Öffnung preßte sich die schwarze Schnauze eines Afghanen. Sie sahen die hektisch hechelnden Kiefer, die zum Fenster erhobene Pfote. Der Hund bellte noch zweimal laut, dann ging das Gebell in Winseln über. Mehr brauchte Kyra nicht.
Handtasche und Papiere fielen wie Steine zu Boden, und sie marschierte über den Platz, ihre schmalen Absätze hämmerten auf den Asphalt, ihr Gang drückte Zorn und Selbstgerechtigkeit aus. Delaney sah benommen zu, wie sie an die Tür des Jeeps trat und sie zu öffnen versuchte. Er registrierte die Frustration in ihrer Schulterhaltung, als sie einmal, zweimal wütend daran zerrte, dann wirbelte sie herum und kam über den Platz zurückmarschiert, einen drohenden Ausdruck im Gesicht.
»Das ist ein Verbrechen«, sagte die Frau
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