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América

América

Titel: América Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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hinter ihm, und Delaney fühlte sich genötigt, ihr einen knappen Blick der Zustimmung zuzuwerfen. Der Mann neben ihr - modisch gekleidet, ein breiter buntbemalter Schlips hing ihm etwas schief um den Hals - sah sich ungeduldig nach einem der Angestellten um, den Parkschein in der Hand.
    Delaneys Auto und Kyra kamen im selben Moment bei ihm an, und als der Mexikaner heraussprang, um sich sein Trinkgeld abzuholen, packte ihn Kyra am Arm. »Wessen Auto ist das da?« wollte sie wissen und zeigte auf den grünen Jeep. »Dort drüben, das mit dem Hund drin!«
    Das Gesicht des jungen Mannes legte sich in Falten; sein Blick huschte zu dem Jeep, dann zurück zu Kyra. »Weiß nix«, sagte er. »Das hier« - dabei deutete er von dem Acura auf Delaney - »von ihm.« Er hielt den Parkschein hoch, um ihn ihr zu zeigen.
    »Das weiß ich«, sagte Kyra mit vor Zorn bebender Stimme. »Sie sollen mir sagen, wem das Auto da drüben gehört« - wieder deutete sie hin - »denn es ist gegen das Gesetz, einen Hund so einzusperren. Das Tier könnte an Hitzschlag sterben, verstehen Sie mich?«
    Er verstand sie nicht. »Weiß nix«, wiederholte er und wandte sich von ihr ab, um dem Mann mit der bunten Krawatte den Parkschein aus der Hand zu nehmen und über den Parkplatz davonzueilen.
    »He!« rief Kyra, und die Furche, die Delaney nur zu gut kannte, grub sich wie eine Narbe zwischen ihre funkelnden Augen. »Kommen Sie zurück! Ich rede mit Ihnen!«
    Drei Männer kamen unter Gelächter aus dem Restaurant und suchten nach ihren Sonnenbrillen, ein vierter stand im Eingang hinter ihnen und tastete seine Taschen nach dem Parkschein ab. »Liebling, Kyra«, versuchte es Delaney und ergriff ihren Arm, »beruhige dich, wir fragen mal im Restaurant nach ...« Aber sie war schon unterwegs, schob sich an den vier Männern vorbei, die Schultern angespannt, die Aktentasche vergessen, während der nagelneue Acura leise auf dem Asphalt brummte, die Fahrertür weit aufgerissen, der Zündschlüssel im Schloß. Delaney brauchte einen Moment, um den Schlüssel abzuziehen, Handtasche und Aktentasche aufzusammeln und ihr hastig ins Restaurant zu folgen.
    Kyra stand im Lokal, vom Licht überflutet, das durch die Fenster fiel, der Geruch nach Curry lag wie eine Decke über dem Raum, und sie klatschte in die Hände wie ein Trainer auf dem Sportplatz. »Entschuldigen Sie«, rief sie, »entschuldigen Sie!« Die Gespräche verstummten. Das Personal erstarrte. Der Oberkellner, der neben einer Palme am Ausgang zur Straße stand, sah beunruhigt zu ihr, auf alles gefaßt. »Gehört einem von Ihnen hier ein grüner Jeep mit dem Kennzeichen 8VJ237X?«
    Niemand antwortete. Die Kellner bewegten sich wieder. Ihr Chef entspannte sich.
    »Aber er muß doch jemandem gehören«, beharrte Kyra in einem Appell an die Menge. »Er steht draußen geparkt, und ein Hund ist darin eingeschlossen - ein Afghane.« Die Menschen hatten sich von ihr abgewandt, nahmen ihre Unterhaltungen wieder auf. Sie klatschte nochmals in die Hände. »Hören Sie mir nicht zu?« fragte sie, und Delaney sah, wie die Miene des Oberkellners sich von neuem verwandelte. »Ein Afghane? Hat niemand von Ihnen einen Afghanen?«
    Delaney trat neben sie. »Kyra«, sagte er leise, »komm jetzt. Er muß jemand anders gehören. Wir werden noch mal draußen fragen.«
    Sie kam mit, widerwillig und leise vor sich hin murmelnd - »Ich fasse es einfach nicht, hast du gesehen, wie dumm diese Leute sind, wie ahnungslos?« -, und einen Moment lang vergaß Delaney den verpatzten Vormittag, den neuen Wagen, den Diebstahl und den Mexikaner und sein zunehmendes Gefühl von Verwirrung und Verletzlichkeit: sie war grandios in ihrer Empörung, eine Heilige, eine Kreuzritterin. Darum ging es. Um Prinzipien. Recht und Unrecht, eine so einfache Entscheidung, wie sie der Ein/Aus-Schalter an einem Fernsehgerät erforderte. In diesem Moment verflog die Wolke über ihm und er empfand eine Art Hochgefühl, das auf den Schwingen des Biers schwebte; letztlich würde sich alles zum Guten wenden.
    Sobald sie in das gleißende Licht des Parkplatzes hinaustraten, verflog dieses Gefühl, wie im Keim erstickt: der grüne Jeep stand direkt vor der Tür, und der Mann, der seine Taschen nach dem Parkschein abgetastet hatte, reichte dem Angestellten gerade einen zusammengefalteten Geldschein. Kyra stürzte sich auf ihn wie ein Raubvogel.
    »Sie sind das also?« schrie sie und packte den Türgriff.
    Der Mann war nicht allzu groß, leichter Schmerbauch und

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