América
eine kleinere Tasche mit Sonnenmilch und Trinkwasser dabei, egal wohin er fuhr, sogar zum Supermarkt oder zur Autohandlung, und er betrachtete die Tasche neben sich auf dem glatten, neuen, fleckenlosen Sitz. Wenn er seine komplette Ausrüstung von zu Hause holte, würde er mit den Leuten reden müssen, die für den Zaun zuständig waren - irgendein neues Team, das Kyra über das Büro aufgetrieben hatte -, und er hatte an diesem Tag einfach keine Lust mehr auf weiteren Streß.
Als er zu der Stelle kam, wo der Wanderweg die Straße kreuzte und auf der linken Seite ein schmaler, unbefestigter Parkstreifen angelegt war, fuhr er quer über den Asphalt und bremste behutsam auf dem Schotter ab; ein Kratzer gleich am ersten Tag wäre schade. Es standen keine anderen Autos da - ein gutes Zeichen: er würde den Weg für sich haben -, und er trat hinaus in die von den Hügeln zurückgestrahlte Hitze, in eine Glut so intensiv wie von einem Feuer aus ordentlich aufgestapelten Scheiten. Die Hitze machte ihm nichts aus, heute nicht. Es war einfach angenehm, all dem Smog, der Verwirrung und dieser ganzen - wieder fiel ihm nur dieses eine Wort ein - Häßlichkeit entkommen zu sein. Diesem Kerl, der vorhin »Leck mich am Arsch« zu seiner Frau gesagt hatte, dabei war er zweifellos im Unrecht gewesen. Kenny Grissom. Den Horden der Armen und Unterdrückten. Jack. Und dem Diebstahl.
Er trat ein paar Schritte zurück und sah sich den Wagen zum erstenmal richtig an. Funkelnagelneu. Kein Kratzer, keine Beule, kein Pünktchen darauf. Er dachte: Vielleicht sollte ich zur Waschanlage nach Tarzana fahren und ihn wachsen lassen, um den Lack zu schützen, für alle Fälle. Und dann dachte er: Nein, jetzt bin ich hier, jetzt gehe ich auch wandern. Er schmierte sich Sonnencreme ins Gesicht, schob die Mineralwasserflasche ins Hemd und machte sich auf den Weg.
Weit kam er nicht. Immer wieder mußte er an das neue Auto denken - keine hundert auf dem Tacho, viereinhalb Tausender extra aus der eigenen Tasche - und jetzt stand es exponiert am Straßenrand. Sicher, hier war längst nicht soviel los wie auf der Straße entlang dem Cañyon, aber wenn sie den anderen Wagen geklaut hatten, was hielt sie davon ab, auch diesen zu stehlen? Und daß es hier ruhiger war, erleichterte ihnen die Sache doch nur, oder? Weniger Zeugen - als ob irgendwer irgend etwas dagegen tun würde. Und bei einem Wagen, der hier parkte, war praktisch garantiert, daß der Besitzer erst nach Stunden zurückkehren würde.
Plötzlich, ohne nachzudenken, kauerte er sich ins Gestrüpp, keine hundert Meter von der Straße entfernt. Durch die Stengel und Zweige, die den Pfad säumten, konnte er sein Auto im Sonnenlicht glitzern sehen. Er reagierte mit Paranoia, ganz einfach - aber man konnte nicht alles unter Kontrolle haben, nicht wahr? Das wußte er, aber im Moment war ihm das egal. Er würde hier sitzen bleiben, sich den ganzen Nachmittag im Gebüsch verstecken, ganz still sitzen bleiben und Ausschau halten.
Die Wogen brandeten über sie hinweg, brausten von einem Lautsprecher zum anderen, sie schliffen die Ecken rund, polierten sie wie eine Muschel, wie Perlmutt, und als die Möwen mit ihren unheimlichen Schreien wie aus weiter Ferne einfielen, hatte sie den grünen Jeep, den Idioten mit dem Pferdeschwanz und seinen armen, kläglichen Hund völlig vergessen. Sie mußte noch auf einen Sprung ins Büro, dann den Berg hinauf nach Arroyo Blanco, um den Kaufmans zu ihrem neuen Heim zu gratulieren und ihnen höchstpersönlich ein kleines Einstandsgeschenk zu überreichen - einen Fünfzigdollargutschein für ein Abendessen bei Emilio und zwei Karten für das Los Angeles Philharmonie. Die meisten Makler hätten sich die Mühe erspart, aber dadurch unterschied sich Kyra eben von ihnen, und das wußte sie. Diese kleinen Dinge, die Aufmerksamkeiten und die Angebinde, die Glückwünsche zum Geburtstag und die keineswegs teuren, aber geschmackvollen Geschenke bedeuteten mehr als hundert Tage der offenen Tür. Was zählte, war der gute Wille. Bisweilen hatte sie versucht, Delaney das zu erklären, nur hatte er keinen Sinn für Geschäfte, und das war auch ganz in Ordnung - wozu brauchte man zwei Marketing-Genies in der Familie? Aber ihr war bewußt, daß die Menschen in dieser Gegend im Schnitt alle 3,7 Jahre umzogen, und daß sie überdies Verwandte, Kinder, Eltern und alte Freunde vom College hatten, die ebenfalls irgendwo wohnen mußten. Und wenn der Tag kam, an dem sie einen Makler suchten,
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